Mit Ausbruch der Coronapandemie setzte der deutsche Gesetzgeber die haftungs- und strafbewährte Insolvenzantragspflicht teilweise aus. Er verlängerte diese Aussetzung auch mehrmals unter verschiedenen Voraussetzungen. Seit 1. Mai 2021 gilt die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen und deren Geschäftsleiter in Deutschland wieder uneingeschränkt. Worauf müssen Unternehmen und Geschäftsleiter jetzt achten?
Insolvenzantragspflicht – wann gilt diese?
In Deutschland gelten strenge Insolvenzantragspflichten bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eines Unternehmens (vgl. § 15a InsO). Wenn diese Insolvenzgründe eintreten, müssen Geschäftsleiter sofort, jedoch spätestens binnen drei Wochen (bei Zahlungsunfähigkeit) oder sechs Wochen (bei Überschuldung) einen Insolvenzantrag für ihr Unternehmen stellen (siehe auch Kompass-Beitrag).
Kommen sie ihren Pflichten nicht rechtzeitig nach, drohen ihnen u.U. empfindliche Sanktionen, sie haften ggf. persönlich (zivil- und ggf. sogar strafrechtlich. Daher sollten Geschäftsleiter kriselnder Unternehmen permanent überwachen, ob Insolvenzgründe vorliegen. Sie sollten hierzu insbesondere eine kurz-, mittel- und langfristige Liquiditätsplanung führen.
Insolvenzantragspflicht zwischenzeitlich teilweise ausgesetzt
Der deutsche Gesetzgeber setzte im Frühjahr 2020 die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen, die Corona-bedingt in finanzielle Schieflage geraten sind, vollständig aus. Das galt sowohl für die „Zahlungsunfähigkeit“ als auch die „Überschuldung“.
Seit Januar 2021 war die Insolvenzantragspflicht dann nur noch für Unternehmen ausgesetzt, die auf staatliche Hilfszahlungen hoffen konnten und diese noch nicht erhalten hatten. Zahlreiche Unternehmen und Geschäftsleiter hatten jedoch bis zuletzt eine falsche Vorstellung vom Umfang der Aussetzung. Viele gingen davon aus, dass die Insolvenzantragspflicht weiterhin umfassend ausgesetzt war oder verkannten die engen Voraussetzungen, die für eine Aussetzung vorlagen mussten.
Keine Verlängerungen der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
Diese Rechtsunsicherheit hat jetzt wohl ein Ende. Sollte der Gesetzgeber nicht noch auf den letzten Metern die Insolvenzantragspflicht erneut mit Rückwirkung aussetzen, gilt seit 1. Mai 2021 die Insolvenzantragspflicht wieder vollständig. Das gilt auch für solche Unternehmen, die Corona besonders betrifft oder betroffen hat.
Das heißt: Geschäftsleiter müssen bei Eintritt von Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und/oder Überschuldung (§ 19 InsO) wieder schnell handeln und ggf. Insolvenzantrag beim zuständigen Insolvenzgericht stellen.
Weitere Gesetzesänderungen
Geschäftsleiter sollten auch folgende weitere aktuelle Gesetzesänderungen i.Z.m. der Insolvenzantragspflicht unbedingt im Blick haben:
Bereits Anfang 2021 modifizierte der Gesetzgeber mit dem SanInsFoG (siehe auch Kompass-Beitrag) die Insolvenzantragsfrist und grenzte die Insolvenzgründe der Überschuldung (§ 19 InsO) und der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) besser voneinander ab:
- Bisher mussten Geschäftsleiter unverzüglich, spätestens jedoch binnen drei Wochen, einen Insolvenzantrag stellen, wenn ihr Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet war.
Für den zwingenden Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit gilt das weiterhin. Anders beim Insolvenzgrund der Überschuldung: Hier verlängerte das SanInsFoG die Antragsfrist auf max. sechs Wochen. Der Grund: Geschäftsleiter sollen mehr Zeit haben, um Sanierungsmaßnahmen zu prüfen und ggf. umzusetzen. - Für den nur fakultativen Insolvenzantragsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit (18 InsO) gilt Folgendes: Ein Unternehmen ist wie bisher drohend zahlungsunfähig, wenn es zwar aktuell liquide ist, aber vorauss. künftig seine Zahlungspflichten bei Fälligkeit nicht erfüllen kann.
Allerdings stellte der Gesetzgeber mit dem SanInsFoG den Zeitraum für die anzustellende Liquiditätsprognose klar: Der relevante Prognosezeitraum liegt in aller Regel bei 24 Monaten. - Ganz ähnlich präzisierte der Gesetzgeber den Insolvenzgrund der Überschuldung. Sie liegt vor, wenn das Aktivvermögen des Schuldners seine Verbindlichkeiten nicht mehr deckt (bilanzielle bzw. rechnerische Überschuldung). Ausnahme: Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass das schuldnerische Unternehmen fortgeführt werden kann (sog. „positive Fortführungsprognose“). Dies ist jedoch im Wesentlichen durch eine Liquiditätsprognose festzustellen.
Auch hier war der Prognosezeitraum vor dem SanInsFoG unklar. Das stellte der Gesetzgeber nun ebenfalls klar: Der relevante Zeitraum liegt bei zwölf Monaten. Nur für 2021 gibt es noch eine Besonderheit: Für Unternehmen, deren Überschuldung auf der Coronapandemie beruht, gilt ein noch verkürzter Prognosezeitraum von vier Monaten.
Geschäftsleiter müssen nun besonders wachsam sein
Nicht nur mit Blick auf die Insolvenzantragspflicht kehrt wieder schrittweise Normalität in Deutschland ein – quasi parallel zur Impfentwicklung. In den nächsten Monaten stehen zudem wichtige Änderungen u.a. bei staatlichen Hilfsmaßnahmen an.
Insbesondere laufen immer mehr Corona-bedingte Stützungsmaßnahmen langsam aus, z.B. der Schutzschirm für Lieferketten. Für einige Unternehmen in Deutschland könnten daher schwierige Monate bevorstehen.
Geschäftsleiter dieser Unternehmen müssen jetzt wieder besonders genau prüfen, ob nicht doch zwingende Insolvenzgründe vorliegen, z.B., indem sie eine kurz-, mittel- und langfristige Liquiditätsplanung führen. Das A und O zur Haftungsvermeidung ist hier eine saubere und belastbare Dokumentation.