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Mit Ausbruch der Coronapandemie setzte der deutsche Gesetzgeber die Insolvenzantragspflicht aus und verlängerte diese Aussetzung auch bereits mehrmals. Nun wurde die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht erneut bis zum 30. April 2021 verlängert. Was bedeutet das für Unternehmen und Geschäftsleiter kriselnder Unternehmen? Das zeigt Teil 1 unserer zweiteiligen Reihe.

Insolvenzantragspflicht – wann gilt diese?

In Deutschland gelten strenge Insolvenzantragspflichten bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eines Unternehmens (vgl. § 15a InsO). Geschäftsleiter müssen bei Eintritt dieser zwingenden Insolvenzgründe unverzüglich, jedoch innerhalb von maximal drei Wochen (bei Zahlungsunfähigkeit) bzw. sechs Wochen (bei Überschuldung) einen Insolvenzantrag für ihr Unternehmen stellen.

Daher müssen Geschäftsleiter fortlaufend überwachen, ob diese Insolvenzgründe vorliegen. Denn kommen sie diesen Pflichten nicht nach, drohen ihnen u.U. empfindliche Sanktionen (zivil- und ggf. sogar strafrechtliche Haftung).

Insolvenzantragspflicht ausgesetzt

Als Reaktion auf den Ausbruch der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Einbruch der weltweiten Wirtschaft setzte der deutsche Gesetzgeber im Frühjahr 2020 die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen, die Corona-bedingt in finanzielle Schieflage geraten sind, vollständig aus – also für den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit und für den der Überschuldung.

An die Aussetzung knüpfte der Gesetzgeber weitere Privilegierungen. Hierzu zählen z.B. die Freistellung von Geschäftsleitern im Zusammenhang mit Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife, die eingeschränkten Möglichkeiten zur Insolvenzanfechtung und reduzierte Haftungsrisiken i.Z.m. der Gewährung neuer Kredite („Lender Liability“).

Aussetzung verlängert

Seit 1. Oktober 2020 gilt die Insolvenzantragspflicht wieder in Bezug auf den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit, und seit 1. Januar 2021 auch in Bezug auf den Insolvenzgrund der Überschuldung.

Jedoch sah das am 1. Januar 2021 in Kraft getretene Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) hier eine Rückausnahme bzw. eine Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 31.01.2021 für Unternehmen vor, die sog. November-/ Dezemberhilfen beantragt haben oder unverschuldet nicht beantragen konnten. Mit dieser Rückausnahme wollte der Gesetzgeber auf die (erneuten) Lockdown-Maßnahmen im Dezember 2020 und Januar 2021 reagieren.

Aussetzung erneut verlängert

Schließlich schlug vor dem Hintergrund der weiteren, auch im Februar 2021 geplanten Lockdown-Maßnahmen das Kabinett am 20. Januar 2021 eine weitere Verlängerung der bisherigen Aussetzung bis zum 30. April 2021 vor. Diese Verlängerung hat der Bundestag nun am 28. Januar 2021 beschlossen. Sie tritt mit Wirkung zum 1. Februar 2021 in Kraft.

Auch diese – mittlerweile dritte – Verlängerung ist daran geknüpft, dass einige enge Voraussetzungen erfüllt sind. Die Verlängerung soll nur Unternehmen zu Gute kommen, die sich

  • in einer durch die Coronapandemie bedingten Krise befinden,
  • einen Anspruch auf finanzielle Hilfen aus den aufgelegten Corona-Hilfsprogrammen haben und
  • deren Auszahlung noch aussteht.

Zudem muss

  • sich die erlangbare Hilfeleistung eignen, die Insolvenzreife des Unternehmens zu beseitigen, und
  • Unternehmen müssen die Hilfe bis zum 28. Februar 2021 auch tatsächlich beantragen. Ausnahme: Sie konnten die Hilfen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen bis zum 28. Februar 2021 nicht beantragen.

Geschäftsleiter müssen wachsam bleiben 

Angesichts des komplizierten Regel-/Ausnahmeverhältnisses der neuen Regelungen ist anzunehmen, dass diese die deutschen Gerichte für viele Jahre beschäftigen werden.

Zudem werden sich Geschäftsleiter künftig wohl nicht im Sinne eines Verbotsirrtums mit dem Einwand verteidigen können, sie hätten die Regeln schlicht nicht mehr verstanden – auch wenn das angesichts der Vielzahl und Komplexität der Regelungen nicht mehr völlig abwegig erscheint. Da es sich bei § 15a InsO auch um einen Straftatbestand handelt, ist das durchaus bemerkenswert. Geschäftsleiter müssen also höchst wachsam bleiben. Das A und O hier ist eine saubere und belastbare Dokumentation.

Author

Artur Swierczok ist Counsel bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern

Author

Joachim Ponseck ist Partner bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern