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Vor der Coronakrise pendelten viele Arbeitnehmer über die Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz. Welche steuerlichen Regelungen gelten für diese Arbeitnehmer heute? Ein Überblick.

Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz (DBA) regelt, ob Deutschland oder die Schweiz den Arbeitslohn besteuern kann. Entscheidend ist v.a., wo die Tätigkeit ausgeübt wird.

Die Corona bedingte Tätigkeit im Homeoffice hätte zu einem Wechsel des Besteuerungsrechts führen können. Das hätte mit einer höheren steuerlichen Belastung für die Arbeitnehmer einhergehen können (s. auch Kompass-Beitrag).

Am 11. Juni 2020 schloss Deutschland mit der Schweiz eine Konsultationsvereinbarung. Diese sieht für Arbeitnehmer Sonderregelungen für die Dauer der Coronakrise vor – vergleichbar den Regelungen mit Luxemburg, Niederlande, Belgien, Frankreich und Österreich (s. auch Kompass-Beitrag).

Schweiz: Sonderregelung für Grenzgänger

Gilt ein Arbeitnehmer als Grenzgänger i.S.d. DBA, darf der Staat, in dem der Grenzgänger ansässig ist, seinen Arbeitslohn besteuern. Das bedeutet jedoch: Der Arbeitnehmer muss in dem anderen Vertragsstaat seinen Arbeitsort haben und von dort regelmäßig an seinen Wohnort zurückkehren.

Kehrt er an mehr als 60 Arbeitstagen im Kalenderjahr nicht an seinen Wohnort zurück (Nichtrückkehrtage), dann ist er kein Grenzgänger mehr. Die Folge: Sein Arbeitslohn würde in beiden Ländern anteilig besteuert werden, nach der Anzahl der Arbeitstage.

Corona bedingte Homeoffice-Tage

Nun einigten sich beide Länder darauf, dass Corona bedingte Tage im Homeoffice als Tage am regulären Arbeitsort gelten sollen. Das sind Homeoffice-Tage wegen Maßnahmen eines Vertragsstaats, seiner Gebietskörperschaften, des Arbeitgebers oder wegen einer Absprache, die der Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber für die Dauer solcher Maßnahmen getroffen hat.

Dabei kann es sich v.a. um Maßnahmen handeln, die Beschränkungen oder Auflagen für betriebliche Abläufe, den Zugang zum Arbeitsort oder die Rückkehr zum Wohnsitz vorsehen. Ziel dieser Maßnahmen ist es, die Corona-Pandemie zu bekämpfen, z.B. den öffentlichen Personenverkehr zu nutzen.

Tägliche Rückkehr des Grenzgängers an seinen Wohnsitz

Die Regelung umfasst beides: Die Tage am Wohnsitz, an denen der Arbeitnehmer die Tätigkeit ausübt, und die Tage am Wohnsitz, an denen er unter Lohnfortzahlung keine Tätigkeit ausübt. Dafür unterstellt man, dass der Arbeitnehmer täglich an den Wohnsitz zurückkehrt.

Diese Sonderregelung gilt jedoch nicht für Arbeitstage, die der Arbeitnehmer unabhängig von diesen Maßnahmen an seinem Wohnsitz verbringt. Sie gilt auch nicht für Tage, die für ihn arbeitsfrei gewesen wären – z.B. wegen einer arbeitsvertraglichen Regelung.

Eine arbeitstägliche Rückkehr zum Wohnsitz unterstellt man auch, wenn ein Arbeitnehmer wegen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona- Pandemie in dem Vertragsstaat bleibt, in dem sich sein Arbeitsort befindet. Sein Arbeitgeber trägt dafür Wohn- oder Übernachtungskosten.

Grenzgänger-Eigenschaft prüfen

Wenn man im Hinblick auf die die Grenzgänger-Eigenschaft die max. zulässige Anzahl der Nichtrückkehrtage prüft, berücksichtigt man nicht den Zeitraum, in dem der Arbeitnehmer von solchen Maßnahmen betroffen ist und in dem diese Konsultationsvereinbarung gilt.

Daher muss man die Grenze von 60 Arbeitstagen proportional um 60/366 für diese Arbeitstage für den übrigen Zeitraum des Kalenderjahres kürzen. Der Arbeitgeber muss diesen Zeitraum schriftlich bestätigen. Man berücksichtigt dabei während dieses Zeitraums keine Arbeitstage, an denen der Arbeitnehmer nicht an den Wohnsitz zurückkehrt.

Sonderregelung für sonstige grenzüberschreitend tätige Arbeitnehmer

Für Arbeitnehmer, die keine Grenzgänger i.S.d. DBA sind, gilt das Tätigkeitsortsprinzip: Der Arbeitslohn wird in dem Vertragsstaat besteuert, in dem der Arbeitnehmer seine Tätigkeit ausübt. Tut er dies in beiden Staaten, dürfen beide Staaten nach der Anzahl der Arbeitstage den Arbeitslohn anteilig besteuern.

Vergleichbar der Regelung für Grenzgänger haben sich Deutschland und die Schweiz auf Folgendes geeinigt: Arbeitnehmer können die Tage, die sie wegen Corona bedingter Maßnahmen im Ansässigkeitsstaat verbracht haben, als am regulären Arbeitsort verbrachte Tage gelten lassen.

Wahlrecht für Arbeitnehmer

Die Arbeitnehmer haben also ein Wahlrecht, diese Fiktion gelten zu lassen. Auch diese Regelung gilt für beides: Für Tage, für die Arbeitnehmer Arbeitslohn beziehen und an denen sie ihre Tätigkeit im Ansässigkeitsstaat ausüben, und für Tage, an denen die Arbeitnehmer unter Lohnfortzahlung keine Tätigkeit ausüben und sie in ihrem Ansässigkeitsstaat verbleiben.

Die Sonderregelung gilt nicht für Arbeitstage, die Arbeitnehmer unabhängig von diesen Maßnahmen im Ansässigkeitsstaat verbracht hätten. Sie galt auch nicht für Tage, die aus anderen Gründen arbeitsfrei gewesen wären, z.B. wegen einer arbeitsvertraglichen Regelung.

Will der Arbeitnehmer von dieser Regelung Gebrauch machen, muss er das dem zuständigen Wohnsitzfinanzamt mitteilen und die Umstände anhand von Aufzeichnungen unter Beibringung von Bestätigung des Arbeitgebers nachweisen.

Dadurch erklärt sich der Arbeitnehmer automatisch mit einer Besteuerung im Tätigkeitsstaat einverstanden. Er muss seinen Arbeitgeber darüber informieren. Der Arbeitgeber wiederum muss das auf dem Lohnausweis oder in anderer schriftlicher Form gegenüber dem Arbeitnehmer bestätigen. Dies dient zur Vorlage bei den zuständigen Steuerbehörden. Denn der Arbeitnehmer muss nachweisen, dass der Tätigkeitsstaat den Arbeitslohn besteuert.

Nutzt der Arbeitnehmer diese Sonderregelung nicht, gelten die allg. Regelungen des DBA. Arbeitslohn für Arbeitstage ohne Arbeitsausübung können allerdings nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem der Arbeitnehmer ohne Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie tätig geworden wäre. Vergleichszeitraum ist das Kalenderjahr 2019.

Kurzarbeitergeld, Kurzarbeitsentschädigung und andere staatliche Unterstützungsleistungen

Als Vergütungen für unselbständige Arbeit i.S.d. DBA gelten Kurzarbeitsentschädigungen für entfallene Arbeitsstunden, die in der Schweiz ausgezahlt wurden. Vergütungen für unselbständige Arbeit sind daneben ähnliche Vergütungen, die wegen Corona bedingten Maßnahmen von staatlicher Seite der Schweiz entweder direkt oder über den Arbeitgeber erstattet werden.

Sie sollen vorübergehend den Arbeitslohn ersetzen. Sie sind nur von der Schweiz zu besteuern. Besteuert die Schweiz diese Einkünfte nicht oder nur zu einem nach dem DBA begrenzten Steuersatz, kann Deutschland diese besteuern.

In der Schweiz ansässige Personen können wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie statt ihres regulären Arbeitslohns deutsches Kurzarbeitergeld beziehen. Dieses gilt als in Deutschland besteuert. Die Schweiz nimmt diese Einkünfte von der Besteuerung aus.

Die Schweiz kann aber den Steuersatz anwenden, der anzuwenden wäre, wenn die Einkünfte nicht von der Besteuerung ausgenommen wären.

Wann gilt die Vereinbarung?

Die Vereinbarung ist auf Vergütungen für den Zeitraum vom 11. März 2020 bis zum 30. Juni 2020 anzuwenden. Ihre Geltung verlängert sich danach jeweils vom Ende eines Kalendermonats zum Ende des nächsten Kalendermonats. Dies gilt, sofern sie nicht mind. eine Woche vor Beginn des jeweils folgenden Kalendermonats gekündigt wird.

Author

Ludmilla Maurer ist Counsel bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern