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Am 25. Juli 2024 trat die Richtlinie über die unternehmerische Sorgfaltspflichten im Bereich der Nachhaltigkeit (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, kurz CSDDD) in Kraft. Sie legt großen Unternehmen, die in der EU tätig sind, neue Sorgfaltspflichten auf. Was müssen diese Unternehmen beachten?

Der Gesetzgeber verlangt von großen, in der EU tätigen Unternehmen, Menschenrechtsverletzungen und Umweltauswirkungen über ihre gesamte „Handlungskette“ hinweg zu identifizieren, zu verhindern, abzumildern und zu beheben. Die Mitgliedsstaaten müssen die CSDDD bis zum 26. Juli 2026 in nationales Recht umsetzen.

Am Tag, als die CSDDD in Kraft getreten ist, veröffentlichte die Europäische Union eine Reihe von häufig gestellten Fragen (FAQs) zur CSDDD. Diese erläutern die wichtigsten Aspekte der Gesetzgebung und ihre Auswirkungen auf Unternehmen, die an die Umsetzungsvorschriften der EU-Mitgliedstaaten gebunden sind. Sie werden größtenteils bis zum 26. Juli 2027 in Kraft treten.

FAQs der Europäischen Kommission als Orientierungshilfe

Die FAQs der Europäischen Kommission sind rechtlich nicht bindend, weder für die Gesetzgeber der EU-Mitgliedstaaten noch für die zuständigen Gerichte und Durchsetzungsbehörden in der EU. Sie sind jedoch eine nützliche Orientierungshilfe, die insbesondere auch die zuständigen Behörden der EU-Mitgliedstaaten nutzen, wenn es darum geht, EU-Recht auszulegen.

Die FAQs enthalten Erläuterungen zu einigen wichtigen Teilaspekten der CSDDD, z. B.  dem materiellen Anwendungsbereich, dem Inhalt der Verpflichtungen, ihrer Durchsetzung, der Haftungsregelung und dem risikobasierten Sorgfaltspflichtenansatz.

Jahresumsatz und Zahl der Beschäftigten entscheidend

Die Kommission stellt klar: Ob die neuen Sorgfaltspflichten für Unternehmen anzuwenden sind, richtet sich in erster Linie nach dem Jahresumsatz und der Zahl der Beschäftigten. Überschreiten Unternehmen bestimmte Schwellenwerte, gelten neue Sorgfaltspflichten.

Die FAQs greifen erneut die in der CSDDD vorgesehenen Kriterien für den Anwendungsbereich auf. Hierunter fallen rund 6.000 in der EU ansässige Unternehmen. Dazu gehören Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Personengesellschaften mit mehr als 1.000 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von über 450 Millionen Euro sowie Muttergesellschaften von Unternehmensgruppen, die diese Schwellenwerte erreichen.

Franchisegeber und Lizenzgeber fallen ebenfalls darunter, wenn die erzielten Lizenzeinnahmen im letzten Geschäftsjahr 22,5 Millionen Euro überstiegen haben und sie die oberste Muttergesellschaft eines Konzerns mit einem Nettoumsatz von mehr als 80 Millionen Euro sind.

Den FAQs zufolge fallen etwa 900 Nicht-EU-Unternehmen unter die Richtlinie, auch solche mit einem in der EU erzielten Nettoumsatz von über 450 Millionen Euro. Die Kommission hat keine Liste der Unternehmen – mit oder ohne Sitz in der EU – veröffentlicht, für die die CSDDD in Form der EU-mitgliedstaatlichen Umsetzungsgesetze tatsächlich gelten wird.

Wann genau gilt die CSDDD?

Laut FAQs gilt die CSDDD nur dann, wenn ein Unternehmen die o.g. Schwellenwerte in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren erreicht. Diese gelten für EU- und Nicht-EU-Unternehmen gleichermaßen. Aus praktischen Gründen wurde beschlossen, den  Schwellenwert für die Zahl der Beschäftigten für Nicht-EU-Unternehmen aufzugeben, der sich aus den unterschiedlichen Ansätzen zur Berechnung der Beschäftigtenzahl und der Schwierigkeit ergibt, die Zahl der Beschäftigten von Nicht-EU-Unternehmen zu bestimmen.

In den FAQs heißt es: Die Zahl der Beschäftigten ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH zur Definition des Begriffs „Arbeitnehmer“ zu berechnen. Der Begriff „Arbeitnehmer“ schließt Teilzeitbeschäftigte auf Vollzeitbasis sowie Leiharbeitnehmer, die bestimmte Kriterien erfüllen, ein.

Materieller Geltungsbereich der CSDDD

Die FAQs geben Auskunft über den materiellen Anwendungsbereich der Verordnung, besonders über die spezifischen Rechte und Geschäftstätigkeiten, die in den Anwendungsbereich der CSDDD fallen.

Abgedeckte Menschenrechte

Die CSDDD bezieht sich auf Menschenrechte, die in internationalen Konventionen festgelegt sind, wie das Recht auf Leben und das Verbot von Kinderarbeit. Diese Konventionen basieren auf den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte und sollen die allgemein anerkannten Menschenrechtsstandards widerspiegeln.

Abgedeckte Umweltauswirkungen

Die von der CSDDD abgedeckten Umweltauswirkungen beruhen auf Verpflichtungen aus multilateralen Übereinkommen, wie z. B. die Vermeidung von Umweltverschmutzung durch Schiffe und die Minimierung von Schäden an der biologischen Vielfalt.

Abgedeckte Geschäftstätigkeiten

Die Richtlinie umfasst globale „Tätigkeitsketten“, die vor- und nachgelagerte Aktivitäten betreffen. Im Gegensatz dazu bezieht sich der Begriff „Lieferkette“ im LkSG nur auf vorgelagerte Geschäftsbeziehungen (upstream), d.h. unmittelbare und mittelbare Zulieferer der deutschen Unternehmen, und sieht neben der eigenen Geschäftstätigkeit auch Sorgfaltspflichten in Bezug auf diese vor.

Die CSDDD hat einen breiteren Anwendungsbereich, da sie die Umsetzung von Sorgfaltspflichten im vor- und nachgelagerten Bereich und damit auch in Bezug auf die Kunden der in-scope-Unternehmen vorsieht.

Zu den vorgelagerten Tätigkeiten gehören die Produktion und Beschaffung von Waren.

Nachgelagerte Tätigkeiten umfassen den Vertrieb, den Transport und die Lagerung des Produkts, wenn der Geschäftspartner diese Tätigkeiten für das Unternehmen oder im Namen des Unternehmens ausführt.

Unternehmen, die in den Geltungsbereich der CSDDD fallen, müssen die mit ihren Tätigkeiten verbundenen schädlichen Auswirkungen ermitteln und angehen sowie ihre Geschäftsstrategien ändern. Die Richtlinie betont: Die Sorgfaltspflicht sollte in die Unternehmenspolitik und die Risikomanagementsysteme eines Unternehmens integriert werden. Was die erfassten Geschäftstätigkeiten betrifft, gehen die FAQ nicht über das hinaus, was die CSDDD bereits unmittelbar vorsieht.

Was beinhalten die Pflichten in punkto CSDDD?

Zudem konzentrieren sich die FAQs auf den risikobasierten Ansatz der CSDDD:

Der risikobasierte Ansatz der Sorgfaltspflicht ermöglicht Unternehmen, ihre Maßnahmen zu priorisieren, wenn sie nicht alle Auswirkungen berücksichtigen können. Die Unternehmen müssen „geeignete Maßnahmen“ ergreifen, um die Auswirkungen auf Basis ihres Schweregrads und ihrer Wahrscheinlichkeit effizient zu ermitteln und anzugehen.

Dazu gehört auch die Bewertung der Auswirkungen des eigenen Betriebs, der Tochtergesellschaften und der Geschäftspartner des Unternehmens. Zu den erforderlichen Maßnahmen, um negative Auswirkungen zu verhindern, abzuschwächen oder zu beheben, zählen:

  • Präventions- und Korrekturmaßnahmenpläne für komplexe Probleme zu entwickeln und umzusetzen;
  • vertragliche Zusicherungen von direkten Geschäftspartnern zu erlangen und Anforderungen durch die Lieferketten zu kaskadieren;
  • die nötigen finanziellen oder nicht-finanziellen Investitionen vorzunehmen, auch in eigenen Tätigkeitsbereichen (z. B. Modernisierung der Infrastrukturen);
  • Unterstützung (z. B. Aufbau von Kapazitäten) für KMU-Geschäftspartner bereitzustellen, wenn das angesichts der Ressourcen, des Wissens und der Beschränkungen der KMU erforderlich ist;
  • finanzielle Unterstützung (z. B. Direktfinanzierung, zinsgünstige Darlehen, Garantien für die weitere Beschaffung oder Hilfe bei der Beschaffung von Finanzmitteln) für ihre KMU-Geschäftspartner bereitzustellen, wenn die Einhaltung der Vorschriften ihre Lebensfähigkeit gefährdet;
  • Geschäftspläne, Strategien und Betriebsabläufe anzupassen;
  • mit anderen Einrichtungen zusammenzuarbeiten, um Probleme zu lösen, auch mit dem Ziel, ihren Einfluss auf die Geschäftspartner zu erhöhen.

Lt. FAQs gelten keine Berichtspflichten für Unternehmen, die bereits die Berichtspflichten nach der CSRD erfüllen. Gleiches gilt für die Verpflichtung zur Annahme von Klimaübergangsplänen. Wenn Unternehmen solche Pläne bereits im Rahmen der CSRD einführen, entstehen für sie keine zusätzlichen Verpflichtungen im Rahmen der CSDDD.

Zivilrechtliche Haftung

Halten Unternehmen die Verpflichtungen zur Vermeidung, Abschwächung oder Beendigung nachteiliger Auswirkungen nicht ein, kann das dazu führen, dass sie zivilrechtlich haften. Die FAQs stellen jedoch klar: Unternehmen haften nicht, wenn nur ihre Geschäftspartner den Schaden verursacht haben.

Wird die Haftung eines Unternehmens festgestellt, muss es die Betroffenen für den erlittenen Schaden vollständig entschädigen. Die nach dem Recht der EU-Mitgliedstaaten vorzusehenden Entschädigungsansprüche dürfen keine Überkompensation vorsehen und keinen Strafschadenersatz (punitive damages) umfassen.

CSDDD: Wichtige Schritte und Vorbereitung auf den Ernstfall

Zum jetzigen Zeitpunkt ist es für Unternehmen von entscheidender Bedeutung, sich mit der Gesetzgebung vertraut zu machen. Das schafft Planungssicherheit und hilft, mögliche unerwünschte Überraschungen zu vermeiden.

Die FAQs können erste Fragen beantworten, z. B. ob die Verordnung auf das eigene Unternehmen anzuwenden ist. Wie die Verordnung auszulegen und umzusetzen ist, bleibt jedoch ungewiss. Nichtsdestotrotz ist es für Unternehmen essentiell, die Schlüsselelemente dieser Gesetzgebung zu verstehen, um die Vorschriften einzuhalten und eine Kultur der Nachhaltigkeit zu fördern. Die FAQs können ihnen helfen, sich einen Überblick über den Anwendungsbereich und die Folgen dieser Richtlinie zu verschaffen.

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Anahita Thoms ist Partner bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern

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Dr. Alexander Ehrle ist Senior Associate bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern

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Kimberley Fischer ist Associate bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern

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Caroline Walka ist Associate bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern