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Coronabedingte Arbeit im Homeoffice und Reiseeinschränkungen – viele Unternehmen und ihre Mitarbeiter stellt das vor neue Herausforderungen. Deutschland schloss mit fünf Nachbarstaaten Konsultationsvereinbarungen. Diese sehen für Grenzpendler und Grenzgänger steuerliche Sonderregelungen in der Coronakrise vor. Ein Überblick.

Unternehmen mit sog. Grenzpendlern sehen sich derzeit mit den Auswirkungen auf die Besteuerung ihrer Mitarbeiter konfrontiert. Grenzpendler sind Mitarbeiter mit Wohnsitz in einem Staat und regulärem Tätigkeitsort in einem anderen Staat. Das geht für Unternehmen auch mit steuerlichen Compliance-Pflichten einher.

Für Mitarbeiter bedeutet die Arbeit im Homeoffice wegen einer Änderung des Besteuerungsrechts ggf. eine höhere steuerliche Belastung. Um das zu vermeiden, hat Deutschland nun mit fünf Nachbarstaaten – Luxemburg, Niederlande, Österreich, Belgien und Frankreich -Konsultationsvereinbarungen geschlossen.

Diese sehen für Grenzpendler und Grenzgänger steuerliche Sonderregelungen für die Dauer der Coronakrise vor.

Grenzpendler – das Besteuerungsrecht vor Corona

Alle Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), die Deutschland abgeschlossen hat, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, legen in puncto Besteuerung des Arbeitslohns das Tätigkeitsstaatsprinzip fest.

Das bedeutet: Der Staat, in dem der Mitarbeiter arbeitet, darf den für diese Tätigkeit erhaltenen Arbeitslohn besteuern. Arbeitet der Mitarbeiter in beiden Staaten, werden die Einkünfte nach Anzahl der tatsächlich ausgeübten Arbeitstage aufgeteilt. Sie werden dann in beiden Staaten anteilig besteuert.

DBA mit Österreich, Frankreich und der Schweiz

Die DBA mit Österreich, Frankreich und der Schweiz sehen für Grenzgänger eine Ausnahme vom Tätigkeitsstaatsprinzip vor: Grenzgänger werden nur im Ansässigkeitsstaat besteuert. Wer gilt als Grenzgänger? Das ist unterschiedlich definiert.

DBA mit Österreich

Die Vereinbarung mit Österreich sieht z.B. vor: Ein Grenzgänger ist eine Person, die in dem einen Staat in der Nähe der Grenze (in einer Zone von je 30 km beiderseits der Grenze) ihren Wohnsitz hat und in dem anderen Staat in der Nähe der Grenze ihren Arbeitsort. Sie kehrt täglich von ihrem Arbeitsort an ihren Wohnsitz zurück.

Kehrt ein Arbeitnehmer nicht täglich an seinen Wohnsitz zurück oder ist er ausnahmsweise an Arbeitsorten außerhalb der Grenzzone beschäftigt, geht die Grenzgängereigenschaft nicht verloren.

Voraussetzung: Während des gesamten Kalenderjahres kehrt der Arbeitnehmer max. an 45 Arbeitstagen nicht an seinen Wohnsitz zurück (Nichtrückkehrtage). Tage im Homeoffice sind Nichtrückkehrtage.

DBA mit der Schweiz

Dagegen gibt es in der Vereinbarung mit der Schweiz keine räumliche Einschränkung für Grenzgänger. Grenzgänger ist jede in einem Vertragsstaat ansässige Person, die in dem anderen Vertragsstaat ihren Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an ihren Wohnort zurückkehrt.

Arbeitnehmer sind erst dann keine  Grenzgänger mehr, wenn sie mehr als 60 Arbeitstage nicht an ihren Wohnort zurückkehren (Nichtrückkehrtage). Ob Tage im Homeoffice als Nichtrückkehrtage gelten, regelt die Vereinbarung mit der Schweiz nicht.

DBA mit Frankreich

Das DBA mit Frankreich sieht vor: Grenzgänger sind Personen, die im Grenzgebiet (max. 20 km von der Grenze entfernt) eines Vertragsstaats arbeiten und ihre ständige Wohnstätte, zu der sie i.d.R. jeden Tag zurückkehren, im Grenzgebiet des anderen Vertragsstaats haben.

Nach einer zusätzlichen Vereinbarung gelten Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer in der Grenzzone seines Wohnsitzstaates ausübt, als innerhalb der Grenzzone ausgeübt. Damit zählen sie nicht zu den max. zulässigen 45 Nichtrückkehrtagen.

Wenn ein Arbeitnehmer die max. Anzahl der Nichtrückkehrtage überschreitet, greift die Ausnahmeregelung für Grenzgänger nicht mehr. Dann wird nach dem Tätigkeitsstaatsprinzip besteuert. Das Ergebnis: eine anteilige Besteuerung in beiden Staaten.

Sonderregelung in der Coronakrise für Grenzpendler

Deutschland traf bereits mit Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Belgien und Frankreich Konsultationsvereinbarungen. Damit will man das Ausmaß der persönlichen Belastungen für alle grenzüberschreitend tätigen Arbeitnehmern möglichst gering halten.

Die Konsultationsvereinbarungen enthalten im Wesentlichen folgende Punkte :

Wahlrecht: coronabedingte Arbeitstage im Homeoffice als im Vertragsstaat verbrachte Arbeitstage

Vereinbarungen mit allen fünf Staaten sehen für Arbeitnehmer ein Wahlrecht vor: Arbeitstage, für die Arbeitnehmer Arbeitslohn beziehenund an denen sie nur wegen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19 Pandemie ihre Tätigkeit im Homeoffice ausüben, können als in dem Vertragsstaat verbrachte Arbeitstage gelten, in dem die Arbeitnehmer ihre Tätigkeit ohne die Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19 Pandemie ausgeübt hätten. Das gilt nicht für Arbeitstage, die Arbeitnehmer unabhängig von diesen Maßnahmen im Homeoffice verbracht hätten (z. B. wegen arbeitsvertraglicher Regelungen).

Die Vereinbarung mit den Niederlanden stellt außerdem klar: Die untätig zu Hause verbrachten Tage, die normalerweise Arbeitstage wären, für die die Arbeitnehmer weiterhin Gehalt vom Arbeitgeber beziehen, werden so behandelt, als hätten die Arbeitnehmer ihre Tätigkeit weiterhin ausgeübt.

Aufzeichnungspflichten für Grenzpendler

Will der Arbeitnehmer diese Sonderregelung nutzen, muss er geeignete Aufzeichnungen führen, also eine Bescheinigung des Arbeitgebers über Homeoffice-Tage, die ausschließlich auf die Maßnahmen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind.

Die Vereinbarung mit Österreich sieht zudem vor, dass der Arbeitnehmer das dem Arbeitgeber und dem zuständigen Finanzamt des Wohnsitzstaats mitteilen muss. Mit dieser Mitteilung erklärt sich der Arbeitnehmer einverstanden, dass der Arbeitslohn in dem Vertragsstaat, in dem er die Tätigkeit ohne die Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19 Pandemie ausgeübt hätte, tatsächlich besteuert wird.

Alle Vereinbarungen stellen klar: Die Besteuerung erfolgt nach dieser Sonderregelung nur, soweit der auf diese Arbeitstage im Homeoffice entfallende Arbeitslohn im regulären Tätigkeitsstaat tatsächlich besteuert wird.

Grenzgänger: coronabedingte Arbeitstage im Homeoffice sind keine Nichtrückkehrtage

Die Vereinbarung mit Österreich sieht folgendes vor: Coronabedingte Arbeitstage im Homeoffice gelten nicht als Tage der Nichtrückkehr, sofern diese Arbeitstage nicht unabhängig von Corona im Homeoffice verbracht worden wären. Das wäre z.B. der Fall,  wenn Grenzgänger bereits laut arbeitsvertraglicher Regelungen grds. im Homeoffice tätig sind.

Die Vereinbarung mit Frankreich stellt klar, dass zwischen den beiden Staaten keine Zusatzabmachung hinsichtlich Grenzgängern nötig ist. Denn nach einer früheren Vereinbarung gelten die Tage, an denen in der Grenzzone ansässige Grenzgänger mobil arbeiten, als in der Grenzzone erbracht.

Ferner werden Tage, an denen die Grenzgänger Gehalt beziehen, jedoch z.B. wegen staatlicher Gesundheitsverordnungen oder -empfehlungen tatsächlich nicht arbeiten können, als Arbeitstage gezählt. Daher gelten, solche  Arbeitstage ebenfalls als im Grenzgebiet erbracht. Diese Tage werden für Zwecke der 45-Tage-Regelung nicht angerechnet.

Besteuerung des Kurzarbeitergeldes

Was Kurzarbeitergeld oder vergleichbare Leistungen der Nachbarstaaten betrifft, wird mit Österreich und Luxemburg vereinbart, dass diese Zahlungen in dem Staat besteuert werden dürfen, in dem sie ausgezahlt werden.

Das Kurzarbeitergeld, das in den Niederlanden ansässigen Arbeitnehmern in Deutschland ausgezahlt wird, unterliegt bis zu 15.000 Euro dem Besteuerungsrecht der Niederlande. Die Niederlande haben zugestimmt, eine einseitige Maßnahme zu treffen, um diese ,wegen von Corona geleisteten Leistungen in den Niederlanden steuerfrei zu stellen.

Zwischen Frankreich und Deutschland besteht Einvernehmen, dass nur der Ansässigkeitsstaat solche Leistungen besteuern kann.

Grenzpendler und Grenzgänger – Anwendungszeitraum der Konsultationsvereinbarungen

Mit Ausnahme Belgiens gelten die Konsultationsvereinbarungen für Arbeitstage zwischen dem 11. März 2020 und 30. April 2020. Dies verlängert sich ab dem 30. April 2020 automatisch vom Ende eines Kalendermonats zum Ende des nächsten Kalendermonats. Ausnahme: Die zuständige Behörde eines der Vertragsstaaten kündigt durch eine schriftliche Erklärung mind. eine Woche vor Beginn des jeweils folgenden Kalendermonats an die andere zuständige Behörde des anderen Vertragsstaats.

Die Konsultationsvereinbarung mit Belgien gilt zwischen dem 11. März 2020 und 31. Mai 2020. Ab dem 31. Mai verlängert sie sich bis zum Ende des folgenden Kalendermonats, wenn die beiden zuständigen Behörden dies mind. eine Woche vor Beginn des jeweils folgenden Kalendermonats schriftlich vereinbaren. Das ist kürzlich geschehen. Aktuell gilt die Vereinbarung bis zum 30. Juni 2020.

Laut Bundesfinanzministerium strebt Deutschland den Abschluss einer vergleichbaren Regelung auch mit der Schweiz an. Die zuständigen Behörden stehen bereits in Kontakt.

Author

Ludmilla Maurer ist Counsel bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern