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Als Antwort auf den Wirecard Skandal legte die Bundesregierung einen Aktionsplan vor. Das Ziel: die Kapitalmarktregulierung zu verbessern – mit Schwerpunkt auf Rechnungslegung und Abschlussprüfung. Ein Gesetzentwurf für ein “Gesetz zur Stärkung der Integrität der Finanzmärkte” (“FISG”) wurde eingebracht und kürzlich verabschiedet. Das FISG ist am 1. Juli in Kraft getreten und hat zahlreiche Gesetze geändert. Was sind die Ziele des FISG und was müssen börsennotierte Unternehmen beachten?

Das FISG regelt eine Reihe von verschiedenen Punkten, um die Aufsicht über Emittenten zu verbessern und die Aufsicht über die Finanzberichterstattung zu verschärfen. Zudem enthält das FISG eine Reihe weiterer wichtiger Änderungen, die nicht alle i.Z.m. Wirecard stehen.

Die wichtigsten Ziele des FISG:

  • Das System zur Durchsetzung der Einhaltung von Rechnungslegungsvorschriften sollte verbessert werden. Statt der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR), eine halbprivate Institution, soll dies nunmehr eine staatliche Stelle übernehmen.
  • Die Unabhängigkeit der Wirtschaftsprüfer sollte gestärkt werden.
  • Die Corporate Governance wurde weiter ausgebaut.
  • Zweifel an der Integrität der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sollten ausgeräumt werden.
  • Schärfere Sanktionen der Börsen bei Verstößen gegen die Börsenzulassungsregeln.

DPR und BaFin

Das bisherige System, um die Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung durchzusetzen, war ein zweistufiges Verfahren. Die DPR und die BaFin teilten sich die Aufgaben.

Die Hauptverantwortung, Prüfungen durchzuführen, lag bei der DPR. Das waren z.B. Stichproben, Prüfungen bei konkretem Verdacht und Prüfungen auf Veranlassung der BaFin. Solange der Emittent kooperierte, prüfte ausschließlich die DPR – andernfalls durfte die BaFin ermitteln und eingreifen.

Der ursprüngliche Gesetzesvorschlag sah vor, den Dualismus zwischen DPR und BaFin beizubehalten. Gleichzeitig wollte man die Rolle der BaFin stärken, so dass sich die DPR auf Stichprobenprüfungen konzentrieren sollte. Die BaFin hingegen sollte Prüfungen durchführen, die auf einem konkreten Verdacht beruhen oder bei denen die Stichprobenprüfung der DPR zu einem Ergebnis führt.

Der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages entschied sich jedoch für eine radikalere Änderung: Die DPR soll aufgelöst werden und die BaFin ihr Personal übernehmen. Die BaFin soll sich umfassend um das Enforcement kümmern – egal ob stichprobenartig oder im konkreten Verdachtsfall. Außerdem kann die BaFin, außer bei Stichproben, nun auch die Jahresabschlüsse beider Vorjahre prüfen, statt bisher nur den Abschluss eines Jahres.

Bilanzeid und sonstige strafrechtliche Haftung

Die Strafe für Vorstandsmitglieder, die nach bestem Wissen und Gewissen eine falsche Bescheinigung über die Richtigkeit der Finanzinformationen abgeben (“Bilanzeid”), beträgt nun bis zu fünf Jahre Freiheitsentzug für eine vorsätzliche Handlung und zwei Jahre für eine leichtfertige Handlung, die bisher keine Straftat war.

Auch andere Straftaten i.Z.m. Bilanzfälschung sind nun verschärft. In allen Fällen erstreckt sich die strafrechtliche Verantwortlichkeit zusätzlich zu den vorsätzlichen Handlungen (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren) auch auf leichtfertiges Verhalten (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr). Der Strafrahmen für viele andere Verstöße gegen die Rechnungslegungsvorschriften wurde deutlich angehoben.

Strengere Regeln für Wirtschaftsprüfer

Es wird nun nicht mehr möglich sein, den max. Zeitraum von zehn Jahren, in dem Emittenten dieselbe Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (WP-Gesellschaft) haben, um einen weiteren Zeitraum von bis zu 14 Jahren zu verlängern.

Deutschland nutzte in der Vergangenheit die Möglichkeiten des EU-Rechts, um WP-Gesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen auch Beratungsleistungen zu gestatten. Mit dem FISG schaffte Deutschland diese Erleichterungen ab. Das führte zu einer strikteren Trennung von Prüfungstätigkeit und Beratungstätigkeit von Prüfungsgesellschaften. 

Ein Verstoß gegen das Verbot von gleichzeitiger Prüfung und Beratung kann ein Bußgeld von bis zu 500.000 Euro nach sich ziehen. Bußgelder treffen auch den Aufsichtsrat, der eine Prüfungsgesellschaft beauftragt, die durch parallele Beratungstätigkeit in einen Konflikt gerät.

Nicht nur Prüfer können persönlich bestraft werden, auch die WP-Gesellschaft selbst kann mit einer Geldbuße von bis zu 5 Millionen Euro belegt werden, wenn sie Unternehmen prüft, für die sie auch Beratungsleistungen erbringt.

Verschärfte Haftung für Wirtschaftsprüfer

Nun gilt in Deutschland eine deutlich schärfere zivilrechtliche Haftung von Wirtschaftsprüfern. Bislang haftete der Prüfer zwar für das Unternehmen und seine Tochtergesellschaften, jedoch begrenzt auf vier Millionen Euro für fahrlässige Pflichtverletzungen pro Prüfung einer AG. Für börsennotierte Unternehmen vervierfacht sich diese Haftungsgrenze jetzt auf 16 Millionen Euro. Außerdem entfällt bei börsennotierten Unternehmen die Haftungsgrenze für grob fahrlässige Pflichtverletzungen.

Zudem gelten nun schärfere Sanktionen für Wirtschaftsprüfer, die an Bilanzfälschungen beteiligt sind. Bei börsennotierten Unternehmen kann ein wissentlich falscher Bestätigungsvermerk jetzt mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden. Auch die leichtfertige Erteilung eines falschen Bestätigungsvermerks ist eine Straftat mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren.

Governance und interne Kontrollen

Das deutsche Aktiengesetz in seiner durch das FISG geänderten Fassung sieht erstmals ausdrücklich vor: Der Vorstand eines börsennotierten Unternehmens muss angemessene und wirksame interne Kontrollen und Risikomanagementsysteme einrichten, die dem Geschäfts- und Risikoprofil des Unternehmens angemessen sind.

Bisher konnte man diese Verpflichtung nur aus allg. Sorgfaltspflichten des Vorstands und den Offenlegungsvorschriften ableiten, die Unternehmen im Rahmen des Jahresabschlusses treffen. Bislang empfahl nur der Deutsche Corporate Governance Kodex, solche Systeme einzurichten. Doch der Kodex ist kein zwingendes Recht.

Das FISG schafft also mehr Klarheit zu internen Kontrollen und Risikomanagementsystemen. Es ändert auch die Regeln für Prüfungsausschüsse. Mind. zwei Ausschussmitglieder müssen nun Kenntnisse in Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung haben. Diese Kenntnisse müssen bei zwei Mitgliedern getrennt vorhanden sein.

Prüfungsausschuss ein Muss

Ein Prüfungsausschuss ist nun für alle börsennotierten Unternehmen ein Muss. Vor dem FISG war dies nur eine Empfehlung im Corporate Governance Kodex. Besteht der Aufsichtsrat nur aus drei Mitgliedern, gilt der gesamte Aufsichtsrat als Prüfungsausschuss. Der Aufsichtsrat kann nun Informationen direkt von der unteren Führungsebene einholen statt vom Vorstand. Das kann hilfreich sein, wenn der Vorstand selbst in Regelverstöße verwickelt ist. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats leitet dann solche Anfragen weiter.

Fazit

Das FISG hat die Vorschriften für die Erstellung von Finanzberichten, die Rechnungsprüfung und die Unternehmensführung weiter entwickelt. Die meisten Regeln gab es zwar schon vorher. Doch das FISG hat sie verschärft und präzisiert. Zudem ist das Durchsetzungsverfahren zur Prüfung von Jahresabschlüssen nun deutlich straffer.

Author

Manuel Lorenz ist Partner für Bankrecht bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern