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Am 1. Januar 2019 trat das Gesetz neue Verpackungsgesetz („VerpackungsG“) in Kraft. Damit betrat der Gesetzgeber gleich zweifach Neuland: Das Gesetz sieht ein Ausschreibungsverfahren vor – obwohl keine öffentlichen Auftraggeber involviert sind -, und ein DIS-Schiedsverfahren, falls sich ein unterlegener Bieter gegen den Zuschlag wehren möchte. Ein Überblick.

„Duale Systeme“ wie z.B. der Grüne Punkt, BellandVision, Interseroh oder Reclay sammeln Verpackungen, die im Abfall landen, und verwerten sie.

Dafür greifen sie auf regionale Sammelunternehmen zurück. Duale Systeme sind private Unternehmen und keine öffentlichen Auftraggeber i.S.d. Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen („GWB„).

Das Vergaberecht wird daher nicht direkt angewandt, wenn die Dualen Systeme Aufträge zur Sammlung von Verpackungen ausschreiben.

Ausschreibungsverfahren i.Z.m. Dualen Systemen

Die Praxis sieht oft anders aus: Um Sammelunternehmen zu beauftragen, wurden regelmäßig Ausschreibungsverfahren durchgeführt. Diese ähneln stark dem öffentlichen Vergabeverfahren.

Das berücksichtigte der Gesetzgeber im neuen VerpackungsG: Er schrieb ein Ausschreibungsverfahren vor, das sich zwar eng an das Vergabeverfahren anlehnt, jedoch einige Besonderheiten aufweist.

Nach dem Verpackungsgesetz beauftragen die Dualen Systeme gemeinsam ein einzelnes Duales System – den „Ausschreibungsführer“. Dieser soll ein  Ausschreibungsverfahren für ein bestimmtes Sammelgebiet durchführen, z.B. einen Landkreis oder eine Stadt (§ 23 Abs. 2 S. 1 VerpackungsG).

In der Praxis werden den Dualen Systemen die Ausschreibungsgebiete zugelost. Der Ausschreibungsführer beauftragt einen Betreiber einer elektronischen Ausschreibungsplattform, das Verfahren abzuwickeln (§ 23 Abs. 4 S. 2 VerpackungsG).

Veröffentlichung auf Ausschreibungsplattform

Die Ausschreibung des Dualen Systems wird auf der Ausschreibungsplattform veröffentlicht. Sie muss mindestens 60 Tage dauern (§ 23 Abs. 4 S. 5 VerpackungsG).

Jedes interessierte Unternehmen kann innerhalb dieses Zeitraums ein Angebot abgeben. Danach übermittelt der Betreiber der Plattform dem Ausschreibungsführer nur das günstigste Angebot (§ 23 Abs. 5 S. 2 VerpackungsG).

Bieten zwei Bieter den gleichen Preis, werden beide Angebote übermittelt (§ 23 Abs. 5 S. 2 VerpackungsG). Der Ausschreibungsführer kann über diese Angebote nicht verhandeln – es sei denn, es liegen genau gleich günstige Angebote vor (§ 23 Abs. 5 S. 6 und 7 VerpackungsG).

Er kann nur prüfen, ob sich der Bieter eignet, ob Ausschlussgründe vorliegen, ob das Angebot vollständig ist und fachlich sowie rechnerisch korrekt. Das bedeutet: Für die Entscheidung, wer den Zuschlag erhält, ist der Preis des Angebots ein entscheidendes Kriterium.

  • 23 VerpackungsG stimmt weitestgehend mit den Grundsätzen der Vergabe nach § 97 GWB überein. § 23 Abs. 11 VerpackungsG überträgt auch Themen wie Produktvorgaben, eindeutige und erschöpfende Beschreibung der Leistung, Interessenkollisionen und Fragen der Beteiligung von Bietergemeinschaften und Unterauftragnehmern in das Ausschreibungsverfahren. Diese Themen beschäftigen auch die Vergaberechtspraxis. § 23 Abs. 11 VerpackungsG verweist nur auf ausgewählte Vorschriften des GWB (und der Vergabeverordnung).

Damit ist klar: Die umfangreiche Rechtsprechung zum Vergaberecht ist  nur dann übertragbar, wenn sie Grundsätze betrifft, die auch für das Verpackungsgesetz gelten.

Zuschlag entschieden – Fristen einhalten

Wenn der Zuschlag entschieden ist, informiert der Betreiber der Ausschreibungsplattform die nicht erfolgreichen Bieter nach § 23 Abs. 6 S. 1 VerpackungsG über:

  • das erfolgreiche Unternehmen,
  • die Gründe der Nichtberücksichtigung des eingereichten Angebots und
  • den frühesten Zeitpunkt eines Vertragsschluss des Ausschreibungsführers mit dem erfolgreichen Bieter.

Diese Frist geht einher mit einer Stillhaltefrist von 15 Kalendertagen. Wird dennoch ein Zuschlag erteilt, ist er von Anfang an unwirksam.

Dass der Ausschreibungsführer nur den günstigsten Bieter kennt, hat einen guten Grund: Die Dualen Systeme haben oft auch Töchterunternehmen, die ebenfalls an der Ausschreibung für bestimmte Sammelgebiete teilnehmen.

Würden alle Angebote aller Bieter dem Ausschreibungsführer offengelegt, hätte er einen sehr umfassenden Einblick in die Kalkulationen der „Konkurrenten“. Das will man vermeiden (siehe Gesetzesbegründung).

Was können unterlegene Bieter tun?

Nach § 23 Abs. 8 und 9 VerpackungsG kann nur ein Schiedsgericht die Ausschreibung und die Entscheidung des Zuschlags prüfen. Der Gesetzgeber verspricht sich von Schiedsverfahren zügige Entscheidungen.

Anders als Verfahren vor den Vergabekammern kann ein Schiedsverfahren einfacher begonnen und beschleunigt werden. Außerdem gibt es keine Rechtsmittelinstanz. Die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. („DIS“„) administriert das Schiedsverfahren.

Auf das Schiedsverfahren werden vorrangig die DIS-SchO und v.a. ergänzende Regeln zum beschleunigten Verfahren (Anlage 4 der DIS-SchO) angewandt – und ergänzend das X. Buch der Zivilprozessordnung (Schiedsrichterliches Verfahren) (lex arbitri).

Lesen Sie mehr in unserem Download zu Schiedsverfahren nach dem Verpackungsgesetz.

Entscheidung durch Schiedsspruch

Der Einzelschiedsrichter soll einen Schiedsspruch innerhalb von acht Wochen nach Eingang des Schiedsantrags erlassen. Kann das Schiedsverfahren nicht innerhalb dieses Zeitraums beendet werden, informiert der Schiedsrichter die Parteien und die DIS schriftlich über die Gründe. Das Schiedsgericht ist weiterhin zuständig.

In dem Schiedsspruch kann festgestellt werden,

  • dass der Schiedskläger in seinen Rechten verletzt wurde, dass das Ausschreibungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde, oder
  • dass ein „Zuschlag“ oder die Erteilung eines Sammelauftrags unwirksam ist, wenn ein Ausschreibungsverfahren nicht durchgeführt oder Informationspflichten und Wartezeiten verletzt wurden. Ein wirksam erteilter Zuschlag kann nicht mehr aufgehoben werden.

Im Schiedsspruch werden außerdem Maßnahmen bestimmt, um die Rechtsverletzung und Schäden bzw. der Verhinderung von Schäden zu beseitigen – z.B. die Anordnung, das Ausschreibungsverfahren erneut durchzuführen.

Ein Schiedsgericht könnte v.a. aus folgenden Gründen zum Ergebnis kommen, dass der Antragsteller in seinen Rechten verletzt ist:

Der Schiedsspruch ist ein Titel, der wie ein Urteil vollstreckt werden kann. Die Entscheidung kann nicht mit Rechtsmitteln angefochten werden.

In Betracht kommt nur ein gerichtliches Aufhebungsverfahren vor den Oberlandesgerichten. An das Vorliegen von Aufhebungsgründen werden regelmäßig hohe Anforderungen geknüpft.

Vergleich zum Rechtsschutzverfahren vor den Vergabekammern

Die wichtigsten Unterschiede des Verfahrens vor den Vergabekammern und des DIS-Schiedsgerichts sind in der folgenden Tabelle aufgeführt:

Zu beachten sind v.a. zwei Punkte: Im GWB-Vergaberechtsschutz muss ein Bieter alle Verstöße gegen die Vergaberegeln fortlaufend und bis zu bestimmten Zeitpunkten im Verfahren rügen.

Dies sieht das VerpackungsG nicht vor, sondern nur die Antragsfrist von 15 Kalendertagen nach Erhalt der Vorabinformation. Das bedeutet: Alle Streitigkeiten verlagern sich auf das Ende des Ausschreibungsverfahrens.

Schiedsverfahren nach dem VerpackG – Herausforderung für die Praxis

Der Gesetzgeber hat mit dem Verpackungsgesetz Neuland betreten. Ein Schiedsverfahren nach dem VerpackungsG bringt mehrere Herausforderungen mit sich:

Schiedsvereinbarung

Das Schiedsverfahren nach dem VerpackG ist nicht erprobt und ungewohnt. Fraglich ist: Wie kann der Abschluss einer Schiedsvereinbarung – zwingende Voraussetzung für ein Schiedsverfahren – konstruiert werden?

Tatsächlich sieht die Ausschreibungsplattform eine ausführliche und maßgeschneiderte Schiedsvereinbarung vor, die alle Beteiligten abschließen müssen, die an dem Ausschreibungsverfahren teilnehmen (siehe Link).

Beteiligung Dritter am Schiedsverfahren

Am Schiedsverfahren sollte auch der erfolgreiche Bieter beteiligt werden. Zum einen hat er ein Interesse daran, den Ausschreibungsführer als Streithelfer zu unterstützen. Zum anderen würde der Schiedsspruch andernfalls keine Bindungswirkung gegenüber dem erfolgreichen Bieter entfalten.

Die kürzlich modernisierte DIS-SchO beinhaltet bereits Regelungen zu Mehrvertragsverfahren, Mehrparteienverfahren und der Einbeziehung zusätzlicher Parteien (Art. 17 – 19 DIS-SchO).

Zudem sieht die Schiedsvereinbarung in den Ausschreibungsbedingungen vor: Die DIS muss den erfolgreichen Bieter noch vor Konstituierung des Schiedsgerichts beiladen – ebenso wie vom Ausschreibungsführer benannte weitere Unternehmen, die durch einen Schiedsspruch betroffen sein können.

Dokumentenherausgabe bei Schiedsverfahren

Im Prozess vor den Vergabekammern ist es möglich, Einsicht in die Akten zu nehmen. Dies ist im Verpackungsgesetz nicht geregelt.

Die Schiedsvereinbarung auf der Plattform folgt auch hier dem Beispiel des Vergaberechts. Sie lehnt sich an § 165 GWB und der Praxis an.

Allerdings besteht für das Vergaberecht nach VerpackungsG folgende Besonderheit: Ausschreibungsführer und Plattformbetreiber besitzen überprüfungsrelevante Dokumentationen. Bei der Einsicht und im Streitverfahren ist die besondere Wettbewerbssituation des Ausschreibungsführers zu beachten.

Der Ausschreibungsführer reicht die Unterlagen, die das Ausschreibungsverfahren dokumentieren, zeitnah bei der DIS ein, der Betreiber der Ausschreibungsplattform reicht wiederum seine Dokumentation zum Ausschreibungsverfahren und das Angebot des Antragstellers ein.

Die DIS übermittelt diese Dokumentation ausschließlich an das Schiedsgericht. Ggf. kann dieses noch weitere Dokumente über den Weg des Artikels 28.2 DIS SchO anfordern.

Author

Susanne Mertens ist Partner bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern

Author

Markus Altenkirch ist Partner bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern