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Das Finanzministerium hat einen Gesetzesentwurf mit einer Sonderregelung auf den Weg gebracht. Diese erlaubt es, Arbeitsverhältnisse gut bezahlter Bankmitarbeiter auch ohne ausreichenden Kündigungsgrund durch Gerichtsentscheidung auflösen zulassen. Wer wird von der neuen Regelung profitieren? Und wird es zu wesentlichen Änderungen für die Praxis kommen?

Kommt ein gelockerter Kündigungsschutz für Banker?

Ja. Nachdem das Finanzministerium einen ersten Gesetzesentwurf vorgelegt hat, ist mit einem gelockerten Kündigungsschutz für Banker zu rechnen.

Wie soll dieser gelockerte Kündigungsschutz aussehen?

Risikoträger i.S.d. Institutsvergütungsordnung (kurz: InstitutsVergV), deren jährliche regelmäßige Grundvergütung das Dreifache der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung überschreitet, sollen im Kündigungsschutzgesetz leitenden Angestellten gleichgestellt werden.

Das bedeutet:

  • Es betrifft Mitarbeiter, die aktuell ein Jahresfestgehalt von mehr als 234.000 Euro (Ostdeutschland: 208.800 Euro) beziehen und deren Arbeit sich wesentlich auf das Risikoprofil der Bank auswirkt.
  • Künftig soll es möglich sein, sich von diesen Mitarbeitern ohne nachweisbaren Kündigungsgrund zu trennen – aber nun gegen eine angemessene Abfindungszahlung, die das Gericht festlegt.

Warum macht die Bundesregierung diesen Vorstoß? 

Im Koalitionsvertrag gab es folgende konkrete Regelung:

„Wir werden uns für attraktive Rahmenbedingungen am Finanzplatz Deutschland einsetzen und die digitale Infrastruktur für die Finanzmärkte weiter stärken. Angesichts des bevorstehenden Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU wollen wir den Standort Deutschland für Finanzinstitute attraktiver gestalten.

Dazu werden wir es möglich machen, Risikoträger i.S.v. § 2 Abs. 8 Institutsvergütungsverordnung, deren jährliche regelmäßige Grundvergütung das Dreifache der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung überschreitet, im Kündigungsschutzgesetz leitenden Angestellten gleichzustellen.“

Mit diesem Gesetzesvorstoß wird also nur umgesetzt, was CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag bereits ausdrücklich vereinbart hatten.

Müssen die Banker nun um ihren sicheren Arbeitsplatz bangen?

Nein. Der Kreis der potenziell betroffenen Bankbeschäftigten ist sehr klein. Für die meisten Mitarbeiter in Kreditinstituten wird sich überhaupt nichts ändern.

Selbst in großen Bankhäusern wird höchstens eine Handvoll Top-Mitarbeiter alle Voraussetzungen für den gelockerten Kündigungsschutz erfüllen. Risikoträger sind u.a. Mitarbeiter, die wesentliche Geschäftsbereiche leiten oder definierte Mindestkreditbefugnisse haben.

Was kostet künftig eine Trennung von einem hochkarätigen Risikoträger?

Ein Gericht müsste die angemessene Abfindung festlegen, wenn der Anstellungsvertrag aufgelöst wird. Diese Abfindung ist nach den aktuellen gesetzlichen Bestimmungen i.d.R. auf zwölf Monatsgehälter gedeckelt – bei langer Betriebszugehörigkeit älterer Arbeitnehmer im Ausnahmefall bis 18 Monatsgehälter.

Die Gerichte berücksichtigen nach aktueller Rechtslage die Umstände des Einzelfalls, um die angemessene Abfindung festzulegen. Dazu zählen die persönliche Situation des Arbeitnehmers, v.a. seine Sozialdaten und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers. Als Daumenregel gilt ein halbes bis ganzes Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr.

Kündigung kann unwirksam sein

Doch auch wenn der „gelockerte Kündigungsschutz für Banker“ kommt, müssen Arbeitgeber vorsichtig sein: Nach einem langen gerichtlichen Verfahren kann festgestellt werden, dass die Kündigung unwirksam war.

Der Grund: Es können einerseits nicht ausreichend Kündigungsgründe nachgewiesen werden und andererseits hält das Gericht den Mitarbeiter nicht für einen Risikoträger – in diesem Fall greift nicht die neue Regelung, um das Arbeitsverhältnis auflösen zu lassen. Dann müsste der Arbeitgeber Gehälter rückwirkend zahlen und den Mitarbeiter wieder einstellen.

Um dieses Risiko und langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden, werden sich auch künftig Arbeitgeber einvernehmlich von ihren Angestellten trennen. Die Konditionen, besonders die Abfindungszahlungen, hängen vom Verhandlungsgeschick und der Interessenlage der Parteien ab.

Höhere Abfindung ist möglich

Laut Institutsvergütungsverordnung sind Abfindungszahlungen an Risikoträger zwar grundsätzlich bei 200.000 Euro gedeckelt. Ausnahmsweise darf ein Arbeitgeber jedoch eine höhere Abfindung zahlen, wenn er sie wegen eines rechtskräftigen Urteils oder eines Prozessvergleichs leisten muss.

Diese Deckelung greift nicht in Fällen, in denen ein Gericht eine Abfindungszahlung für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festlegt.

Macht dies den Standort Deutschland für Kreditisntitute i.Z.m. dem Brexit attraktiver? 

Nein. Auch wenn dies das erklärte Ziel im Koalitionsvertrag war, ist nicht damit zu rechnen, dass dieses Ziel mit dem Gesetzesvorstoß erreicht wird.

Von der neuen Regelung sind nur Wenige betroffen. Der Arbeitgeber schätzt ein, ob alle Voraussetzungen erfüllt sind. Die angegebene Mindesthöhe der fixen Jahresvergütung ist ein klares Kriterium. Ob jemand Risikoträger ist, ist schwieriger zu beurteilen.

Risikoträger nach der Institutsvergütungsverordnung

Betroffene Kreditinstitute müssen die Risikoträger nach der Institutsvergütungsverordnung ermitteln. Das geschieht auf Basis einer Risikoanalyse. Ein Katalog konkretisiert den vage erscheinenden Begriff des Risikoträgers in einer Verordnung und liefert qualitative und quantitative Kriterien, die einen Risikoträger ausmachen.

Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass die Arbeitsgerichte im Kündigungsschutzverfahren daran gebunden sind, sich an die Einschätzung der Kreditinstitute zu halten. Arbeitgeber laufen daher Gefahr, dass ein Gericht ihre Einschätzung nicht teilt und der hochkarätige Mitarbeiter doch den „normalen“ Kündigungsschutz genießt.

Auswirkungen auf die Standortfrage

Eine solch enge Sondernorm im Kreditwesengesetz scheint wenig geeignet, potenziellen britischen Arbeitgebern die Angst vor dem Wirtschaftsstandort Deutschland zu nehmen. Die Möglichkeit, sich von wenigen Mitarbeitern unter erleichterten Bedingungen zu trennen, wird geringfügig dazu beitragen, dass Banken ihren Standort hierher verlegen, wenn sie nach dem Brexit in der EU vertreten bleiben wollen.

Bereits in der Vergangenheit ging es bei der Trennung von hochkarätigen Bankmitarbeitern nicht primär um die Frage, ob ausreichende Kündigungsgründe vorliegen. Entscheidend war vielmehr, ob man sich auf finanzielle Konditionen für eine einvernehmliche Trennung einigen kann.

Dass es nun möglich werden soll, das Arbeitsverhältnis auf Verlangen des Arbeitgebers – ohne ausreichende Kündigungsgründe – gegen Abfindungszahlung durch Gerichtsentscheidung aufzuheben, wird in der Praxis wohl nur einen geringen Vorteil bringen.

Wer profitiert von der Regelung? 

Keiner. Die Wirtschaft begrüßt zwar, dass die Bundesregierung offenbar den Kündigungsschutz ein Stück weit lockern möchte. Das wird durchaus als Signal gewertet. Inhaltlich geht der Wirtschaft der Entwurf aber nicht weit genug.

Arbeitgeber beschwerten sich in der Vergangenheit oft darüber, dass bei den hohen Gehältern gerade das Risiko des Arbeitsplatzverlustes eingepreist war. Deshalb sollte im Trennungsfall keine zusätzliche Abfindungszahlung erfolgen. Dass eine solche Abfindungszahlung bei Trennungen nun ins Gesetz eingeht, wird der Praxis wohl nur wenig helfen.

Für ausländische Arbeitgeber wirkt das deutsche Arbeitsrecht oft sehr arbeitnehmerfreundlich. Es herrscht große Angst vor dem deutschen Kündigungsschutz. Doch dabei geht es nicht in erster Linie um den Kündigungsschutz weniger Großverdiener, sondern um den generellen Kündigungsschutz. An diesem wird die Neuregelung aber nichts ändern.

Wird sich die neue Regelung in der Praxis bei Trennungen auswirken? 

Nein. In der Praxis wird diese Sonderregelung wohl nur selten angewandt werden. Das liegt zum einen am engen Anwendungsbereich dieser Norm. Außerdem erfolgten Trennungen bei dieser Gruppe hochkarätiger Bankmitarbeiter in der Praxis schon in der Vergangenheit oft einvernehmlich. Das wird wahrscheinlich auch in Zukunft so sein.

Der Umweg, auf Antrag vom Gericht zu verlangen, das Anstellungsverhältnis aufzulösen, scheint für die schnelllebige Praxis wenig attraktiv.

Trotz Kritik aus allen Lagern ist damit zu rechnen, dass das Gesetzesvorhaben wesentlich so umgesetzt wird, wie es derzeit geplant ist. Denn der Koalitionsvertrag ist an dieser Stelle sehr konkret. Wahrscheinlich wird es dann eine Norm, die in der Praxis kaum eine Rolle spielen und schnell in Vergessenheit geraten wird.

Author

Lena Kern ist Counsel bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern