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Die chinesische Regierung veröffentlichte zwischen Juni und Dezember 2018 drei neue „Negativ-Listen“, um ausländische Investitionen zu deregulieren. Neben vielen Lockerungen enthielten diese Listen erstmals auch eine Frist für eine umfassende Öffnung chinesischer Industrien für ausländische Investitionen – 2020 bis 2022.

Bedeuten diese Negativ-Listen für Investoren aus dem Ausland ein positives Signal? Ein Überblick.

Seit 1995 reguliert die chinesische Regierung ausländische Investitionen mithilfe von Investitionskatalogen, den “Catalogues for the Guidance of Foreign Investment Industries“ („外商投资产业指导目录“).

Diese Kataloge wurden alle ein bis zwei Jahre aktualisiert. Die daraus resultierenden Genehmigungserfordernisse waren die erste Hürde für eine ausländische Investition in China.

In den Investitionskatalogen wurden alle Industrien mit Blick auf ausländische Investitionen grundsätzlich in drei Kategorien eingeordnet: „gefördert“, „beschränkt“ oder „verboten“.

Die erste Negativ-Liste in der Shanghai Free Trade Zone

Auf den Gebieten der Free Trade Zones, zunächst in Shanghai und später u.a. in Guangdong und Tianjin, erprobte man seit 2013 ein neues Konzept: die „Negativ-Listen“ („负面清单“). Statt bisher drei Kategorien enthalten die Negativ-Listen nur noch zwei Kategorien: die „beschränkten“ oder „verbotenen“ Industrien.

Die nicht in den Negativ-Listen erfassten Industrien gelten grundsätzlich als erlaubt. Ausländische Investitionen in diesen „erlaubten“ Industrien sind vollständig mit Investitionen einheimischer Investoren gleichgestellt.

Auf nationaler Ebene führte man dieses Konzept erstmals 2017 ein: Die erste landesweite Negativ-Liste ersetzte weitgehend die bis dahin geltenden Investitionskataloge. Auf den Gebieten der Free Trade Zones gilt wiederum die dortige Negativ-Liste fort.

Aus einer Liste werden drei Negativ-Listen

Ab 2016 wurde eine weitere und vereinheitlichende Negativ-Liste eingeführt, die Market Access Negativ-Liste – zunächst probeweise in den Verwaltungsregionen Shanghai, Tianjian, Fujian und Guangdong. Diese gilt für ausländische und inländische Investoren gleichermaßen.

2018 verabschiedete die chinesische Regierung für alle drei Negativ-Listen neue Versionen: Für die landesweite sowie die Free Trade Zones Negativ-Liste erschienen jeweils überarbeitete Fassungen der 2017er Versionen.

Die Market Access Negativ-Liste wiederum erließ man 2018 erstmals für das gesamte China. Damit gilt für ausländische Investitionen in der VR China nun folgendes System:

  1. Ausländische Investitionen in den Free Trade Zones müssen zunächst die Free Trade Zones Negativ-Liste beachten und die dort enthaltenen Verbote und Beschränkungen einhalten.
  2. Ausländische Investitionen außerhalb der Free Trade Zones müssen zunächst die landesweite Negativ-Liste beachten; auch hier sind die genannten Verbote und Beschränkungen einzuhalten.
  3. Ist die Zielindustrie nach den oben genannten Negativ-Listen zulässig oder nur beschränkt, sind die weiteren Bedingungen für den Marktzugang in der Market Access Negativ-Liste zu beachten. Diese gilt für ausländische und inländische Investitionen.

Die landesweite und die Free Trade Zones Negativ-Liste enthalten gegenüber den Vorgänger-Versionen aus 2017 zahlreiche Erleichterungen.

Des Weiteren enthalten sie für einige der nach wie vor beschränkten Industrien erstmals genaue Fristen, bis zu denen eine vollständige Öffnung vollzogen sein soll.

Die drei Listen im Detail:

Die 2018er landesweite Negativ-Liste

Die 2018er landesweite Negativ-Liste, die “Special Administrative Measures on Access to Foreign Investment (Negative List) (2018 Version)“ („外商投资准入特别管理措施(负面清单)(2018年版“) regelt für das gesamte Gebiet der Volksrepublik China, mit Ausnahme der Free Trade Zones, die für ausländische Investitionen verbotenen“ und beschränkten“ Industrien.

In den verbotenen Industrien ist eine ausländische Investition vollständig untersagt, z.B. Flugsicherung. In den beschränkten Industrien sind v.a. die in der Negativ-Liste genannten Beschränkungen einzuhalten, etwa das Erfordernis der Beteiligung eines kontrollierenden chinesischen Partners im Joint Venture.

Vergleich mit 2017er landesweiten Negativ-Liste zeigt Liberalisierung

Gegenüber der Vorgängerversion aus 2017 reduzierte man die Sektoren, in denen Auslandsinvestitionen beschränkt oder verboten sind, von 63 auf 48. Außerdem enthält die 2018er landesweite Negativ-Liste Lockerungen in einigen der nach wie vor beschränkten Industrien.

Im Bereich Financial Services dürfen ausländische Investoren nun etwa an Gesellschaften mit dem Unternehmensgegenstand Termingeschäfte, Wertpapierhandel und Fondsverwaltung bis zu 51 Prozent der Anteile halten. In der Vergangenheit musste stets ein chinesischer Gesellschafter Kontrolle haben.

Einige der wichtigsten Auflockerungen sind in der Tabelle zum download zusammengefasst.

Für diejenigen Industrien, in denen nach wie vor eine Beschränkung auf die von ausländischen Investoren gehaltenen Anteile besteht, enthält die neue landesweite Negativ-Liste zudem folgende Fristen für die vollständige Aufhebung von Beschränkungen:

Bis 2020

  • Herstellung von Nutzfahrzeugen (bisher Erfordernis eines chinesischen Co-Gesellschafters mit mindestens 50 Prozent der Anteile)

Bis 2021

  • Gesellschaften im Bereich Termingeschäfte/Futures (bisher maximal 51 Prozent der Anteile gehalten von ausländischen Investoren)
  • Gesellschaften im Bereich Wertpapierhandel (bisher maximal 51 Prozent der Anteile gehalten von ausländischen Investoren)
  • Gesellschaften im Bereich Lebensversicherungen (bisher maximal 51 Prozent der Anteile gehalten von ausländischen Investoren)

Bis 2022

  • Herstellung von Personenkraftfahrzeugen (bisher Erfordernis eines chinesischen Co-Gesellschafters mit mindestens 50 Prozent der Anteile)

Die 2018er Free Trade Zones Negativ-Liste

Die 2018’er Free Trade Zones Negativ-Liste, die “Special Administrative Measures on Access to Foreign Investment in Pilot Free Trade Zones (Negative List) (2018 Version)“ („自由贸易试验区外商投资准入特别管理措施(负面清单,下称自贸试验区负面清单)(2018年版“) gilt nur auf den Gebieten der mittlerweile auf ein Dutzend angewachsenen Free Trade Zones.

Verglichen mit der landesweiten Negativ-Liste ist die Free Trade Zones Negativ-Liste etwas liberaler: Sie belegt etwa weniger Industrien mit Verboten und Beschränkungen, z.B. die Gewinnung und Förderung von Öl und Gas.

Mitunter sind die Grenzwerte für ausländische Beteiligungen höher oder aufgehoben, z.B. kein Erfordernis eines chinesischen kontrollierenden Gesellschafters in der Unterhaltungsindustrie.

Vergleich mit 2017er Free Trade Zones Negativ-Liste

Gegenüber der Vorgängerversion aus 2017 wurden die Sektoren, in denen Auslandsinvestitionen beschränkt oder verboten sind, von 95 auf 45 reduziert. Auch die Free Trade Zones Negativ-Liste enthält viele weitere Lockerungen.

Zudem gelten auch für die Free Trade Zones die o.g. Fristen für die vollständige Öffnung beschränkter Industrien.

Die wichtigsten Lockerungen dieses Vergleichs sind ebenfalls im download zusammengefasst. Die im Rahmen der landesweiten Negativ-Liste genannten Lockerungen gelten auch für die Free Trade Zones Negativ-Liste (z.B. Termingeschäfte, Wertpapierhandel).

Die Market Access Negativ-Liste

Die Market Access Negativ-Liste, die „Market Access Negative List (2018 Version)“ („市场准入负面清单(2018年版“) gilt für ganz China, inkl. der Free Trade Zones. Sie gilt zudem gleichermaßen für ausländische und inländische Investitionen.

Ausländische Investitionen, die nach der landesweiten Negativ-Liste oder der Free Trade Zones Negativ-Liste zulässig – also nicht von den Listen umfasst sind – oder nur beschränkt sind, müssen beim Marktzugang die weiteren industriespezifischen Voraussetzungen der Market Access Negativ-Liste beachten.

Diese Voraussetzungen galten überwiegend bereits vorher (z.B. das Einholen von spezifischen Erlaubnissen). Sie wurden in der Market Access Negativ-Liste überblicksartig zusammengefasst.

Mehr Transparenz für in- und ausländische Investitionen

Die 2018 neu herausgegebenen Negativ-Listen zeigen das Bestreben der chinesischen Regierung, ausländische Investitionen mittel- und langfristig den einheimischen Investitionen weiter anzugleichen.

Einige bedeutende Industrien wurden bereits jetzt (weiter) geöffnet. Zahlreiche weitere sollen bis 2022 folgen. Die Market Access Negativ-Liste schafft zudem mehr Transparenz für ausländische und inländische Investitionen.

Author

Kai Schlender ist Associate bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern

Author

Christian Atzler ist Corporate/M&A Partner bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern