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Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat im Dezember 2022 zwei Entscheidungen zum Verfall und der Verjährung von Urlaubsansprüchen getroffen. Was müssen Arbeitgeber künftig beachten? Ein Überblick.

Nach den neuen Entscheidungen des BAG verjähren gesetzliche Urlaubsansprüche nur dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor über den konkreten Urlaubsanspruch und den möglichen Verfall belehrt hatte. Zudem muss er den Arbeitnehmer aufgefordert haben, Urlaub zu nehmen. Man spricht hier von der Hinweis- und Aufforderungsobliegenheit.

Diese Hinweis- und Aufforderungsobliegenheit gilt ebenso, wenn  Arbeitnehmer während des Urlaubsjahres und Übertragungszeitraums nur zeitweise, nicht aber dauerhaft – wegen Arbeitsunfähigkeit oder Erwerbsminderung – erwerbsunfähig  waren.

Was hat das BAG entschieden?

Der ersten Entscheidung vom 20. Dezember 2022 (Az. 9 AZR 266/20) lag eine Klage auf Abgeltung von Urlaubsansprüchen für nicht genommene Urlaubstage aus Vorjahren zugrunde. Der Arbeitgeber berief sich darauf, dass die Urlaubsansprüche bereits verjährt und daher nicht abzugelten seien. Das BAG entschied, dass die Ansprüche auf den gesetzlichen Urlaub zwar der regulären Verjährungsfrist unterliegen. Doch die Verjährungsfrist beginnt erst mit Ende des Jahres, in dem der Arbeitgeber seiner Hinweis- und Aufforderungsobliegenheit nachgekommen ist. Das hatte der Arbeitgeber im konkreten Fall versäumt. Die Folge: Der Verjährungseinwand des Arbeitgebers war erfolglos.

In der zweiten Entscheidung desselben Tages (Az. 9 AZR 245/19) entschied das BAG Folgendes: Bei im Urlaubsjahr und Übertragungszeitraum nur zeitweise erwerbsunfähigen Arbeitnehmern hängt der Verfall des gesetzlichen Urlaubsanspruchs ebenfalls davon ab, ob der Arbeitgeber die Hinweis- und Aufforderungsobliegenheit einhält. Versäumt der Arbeitgeber die Erfüllung seiner Obliegenheit, verfällt der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers nicht.  

BAG setzt Rechtsprechung konsequent fort

Das BAG setzt mit diesen Entscheidungen seine Rechtsprechung zur arbeitgeberseitigen Hinweis- und Aufforderungsobliegenheit konsequent fort. Demnach gilt grundsätzlich: Gesetzlicher Urlaub verfällt nur dann am Ende eines Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums bis zum 31. März des Folgejahres, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret auf seine bestehenden Urlaubsansprüche und den drohenden Verfall hingewiesen hat. Zudem muss er ihn aufgefordert haben, den Urlaub zu nehmen.

Nimmt der Arbeitnehmer den Urlaub trotzdem aus freien Stücken nicht, verfällt er. Nach der neuen BAG-Rechtsprechung tritt darüber hinaus auch keine Verjährung der Urlaubsansprüche ein, solange der Arbeitgeber die Hinweis- und Aufforderungsobliegenheit nicht erfüllt.

Etwas anderes nimmt das BAG bei Arbeitnehmern an, die seit Beginn des Urlaubsjahres durchgängig bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahr erkrankt sind (sog. verlängerter Übertragungszeitraum). Dann entfällt der Urlaubsanspruch mit Ablauf des verlängerten Übertragungszeitraums, mithin 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres auch ohne entsprechenden Hinweis und Aufforderung des Arbeitgebers. Eine solche Aufforderung könnte wegen der Arbeits- oder Erwerbsunfähigkeit des Arbeitnehmers ohnehin nicht dazu führen, dass dieser seinen Urlaub nehmen kann.

Diese Rechtsprechung hat das BAG nun fortgeführt. Die Hinweis- und Aufforderungsobliegenheit lebt wieder auf, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaub hätte nehmen können, weil er nicht während des gesamten Urlaubsjahres und verlängerten Übertragungszeitraums, sondern nur zeitweise erwerbsunfähig war.

Was bedeuten die Entscheidungen für Arbeitgeber?

Das BAG stellt klar, dass Verfall und Verjährung gesetzlicher Urlaubsansprüche – außer bei durchgehender Erwerbsunfähigkeit – nur dann eintreten, wenn der Arbeitgeber seiner Hinweis- und Aufforderungsobliegenheit nachgekommen ist. Arbeitgeber sollten die eigenen Arbeitnehmer daher klar und transparent informieren und auffordern, ihren Urlaub zu nehmen. Das ist insbesondere dann relevant, wenn Arbeitnehmer bereits umfangreich Urlaub angesammelt haben. Der Urlaub würde sich sonst über Jahre summieren und auch nicht verjähren.  

Etwas anderes gilt bei der Abgeltung von Urlaubsansprüchen: Muss der Arbeitgeber einen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch bestehenden Urlaubsanspruch abgelten, unterliegt dieser Abgeltungsanspruch auch ohne Hinweis und Aufforderung des Arbeitgebers der regulären Verjährung.

Regelung in Arbeitsverträge aufnehmen

Im Übrigen ist die Rechtsprechung des BAG nur in Bezug auf gesetzliche Urlaubsansprüche zwingend. Wenn Arbeitgeber also übergesetzlichen Urlaub gewähren, können und sollten sie arbeitsvertraglich regeln, dass der übergesetzliche Urlaub mit Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres verfällt – unabhängig von der Einhaltung der Hinweis- und Aufforderungsobliegenheit.

Es ist daher ratsam, eine entsprechende Regelung in Arbeitsverträge aufzunehmen. Ohne eine solche kommt es zu einem Gleichlauf von gesetzlichem und vertraglichem Urlaubsanspruch. Arbeitgeber können sich in punkto vertraglicher Urlaubsanspruch dann nicht darauf berufen, dass dieser zum Ende des Urlaubsjahres automatisch verfallen ist.

Author

Eva Schürmann ist Associate bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern

Author

Philipp Matzke ist Associate bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern