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Nach dem „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ vom 27. März 2020 wird u.a. die Pflicht für einen Insolvenzantrag ausgesetzt, soweit durch die Corona-Pandemie verursacht. Die Haftung der Geschäftsleiter, Kreditgeber und Geschäftspartner wird begrenzt.

Pflicht für Insolvenzantrag aussetzen

Bis zum 30. September 2020 müssen Unternehmen keinen Insolvenzantrag nach § 15a Insolvenzordnung (InsO) und § 42 Abs. 2 BGB stellen.

Ausnahmen sind:

  • Die Insolvenzreife beruht nicht auf den Folgen der COVID-19-Pandemie oder
  • es gibt keine Aussichten darauf, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.

War der Schuldner am 31. Dezember 2019 (noch) nicht zahlungsunfähig, greift folgende gesetzliche Vermutung: Die Insolvenzreife beruht auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und es gibt Aussichten darauf, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Es ist daher ratsam, die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft am 31. Dezember 2019 zu dokumentieren. Per Rechtsverordnung kann die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 31. März 2021 verlängert werden.

Bei Anträgen von Gläubigern zwischen dem 28. März 2020 und dem 28. Juni 2020 darf ein Insolvenzverfahren zudem nur eröffnet werden, wenn der Grund schon am 1. März 2020 vorlag.

Geschäftsleiter vor Haftungsrisiken schützen

Soweit die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt wird, haften Geschäftsleiter nicht, wenn sie einen Insolvenzantrag nicht oder verspätet stellen. Auch Zahlungen in der Krise sollen nicht dazu führen, dass GmbH-Geschäftsführer und Vorstände von Aktiengesellschaften  wegen eines Verstoßes gegen die gesetzlichen Zahlungsverbote (§§ 64 Satz 1 GmbHG, 92 Abs. 2 AktG) haften.

Zahlungen im ordnungsgemäßen Geschäftsgang gelten als vereinbar mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters. Die Regelung soll v.a. Zahlungen, die dazu dienen, den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten oder ein Sanierungskonzept umzusetzen, von Haftungsrisiken freistellen.

Wichtig: Das Gesetz sieht keine umfassende Haftungsfreistellung vor. So haften Geschäftsführer z.B. weiterhin wegen strafrechtlicher Vorschriften, etwa bei Betrug oder Untreue. Auch die gesellschaftsrechtlichen Informationspflichten gegenüber den Anteilsinhabern (insbesondere die Anzeigepflicht bei Verlust der Hälfte des Stammkapitals) und die Kapitalerhaltungsregeln gelten nach wie vor.

Kreditgeber schützen

Folgende Regelungen erleichtern die Finanzierung von Unternehmen:

  • Neue Kredite zu gewähren und sie im Aussetzungszeitraum zu besichern, soll nicht als sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung i.S.v. 826 BGB gelten. Die Regelung setzt die Haftung für verbotene (gläubigerschädigende) Krisenfinanzierung aus. Kreditgeber können also Sanierungskredite vergeben, ohne dass sie sich einem – aktuell nicht kontrollierbaren – Haftungsrisiko aussetzen.
  • Rückzahlungen auf im Aussetzungszeitraum neu gewährte Kredite sind unanfechtbar, sofern sie bis zum 30. September 2023 erfolgen. Die Besicherung solcher Neukredite ist ebenfalls nicht anfechtbar.
  • Diese Regelungen gelten auch für die Gewährung und Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen und ihnen wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlungen. Die § 39 Absatz 1 Nr. 5, 44a InsO ordnen den Nachrang von Gesellschafterdarlehen an. Sie sind nicht auf Insolvenzverfahren anzuwenden, die bis zum 30. September 2023 eröffnet werden. Dagegen gelten die Regelungen nicht für die Besicherung von Gesellschafterdarlehen.

Die Regelungen gelten, soweit die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt ist. Sie gelten zudem für Unternehmen, die keiner Antragspflicht unterliegen sowie für Unternehmen, die nicht insolvenzreif sind. Kredite an Unternehmen werden also sehr weitgehend geschützt. Die zeitlichen Beschränkungen hinsichtlich der Kreditvergabe, deren Besicherung und Rückgewähr gelten nicht für Finanzierungen i.R. staatlicher Hilfsprogramme anlässlich der Corona-Pandemie.

Gläubiger vor Insolvenzanfechtung schützen

Für Rechtshandlungen während des Aussetzungszeitraums, die einem Gläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt haben und die er in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte (kongruente Deckung i.S.d. § 130 InsO), gilt: Sie sind in einem späteren Insolvenzverfahren nicht anfechtbar.

Ausnahme: Der Gläubiger wusste, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners eine bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit nicht beseitigen hätten können.

Folgende Rechtshandlungen sind ebenfalls nicht anfechtbar:

  • Leistungen an Erfüllungsstatt oder erfüllungshalber;
  • Zahlungen durch einen Dritten, wenn der Schuldner sie angewiesen hat;
  • die Bestellung einer anderen als der urspr. vereinbarten Sicherheit (wenn diese nicht werthaltiger ist);
  • die Verkürzung von Zahlungszielen;
  • die Gewährung von Zahlungserleichterungen

Auch die Regelungen zum Schutz vor Insolvenzanfechtung gelten, soweit die Antragspflicht ausgesetzt ist, sowie für Unternehmen die keiner Antragspflicht unterliegen oder die nicht insolvenzreif sind.

Author

Holger Ellers ist Partner bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern