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Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) hat einen Referentenentwurf für ein Verbandssanktionengesetz vorgestellt. Wir zeigen, worauf sich Unternehmen schon jetzt einstellen sollten.

Wie kann man die Sanktionierung von Unternehmen für Rechtsverstöße auf eine neue gesetzliche Grundlage stellen? Diese Frage wird seit einigen Jahren diskutiert – neue Vorschläge dazu gab es immer wieder.

Bis zur nächsten Bundestagswahl sind es noch etwas mehr als zwei Jahre hin. Es ist also mehr als wahrscheinlich, dass der Entwurf für ein Verbandssanktionengesetz mit einigen Anpassungen und Änderungen Gesetz wird.

Unternehmen sollten sich also schon jetzt mit dem Referentenentwurf für ein Verbandssanktionengesetz eingehend befassen und prüfen, welche Maßnahmen sie bereits heute in die Wege leiten sollten.

Warum ein Verbandssanktionengesetz?

Das BMJV hat für sich folgende Schwachstellen identifiziert, die durch das Gesetz behoben werden sollen:

  • Unzureichende Sanktionsmöglichkeit ggü. Großkonzernen durch eine regelmäßige Haftungshöchstgrenze für Verbandsgeldbußen von 10 Millionen Euro;
  • Fehlen konkreter und nachvollziehbarer Zumessungsregeln für Verbandsgeldbußen;
  • keine rechtssicheren Anreize für Investitionen in Compliance;
  • uneinheitliche und ungleiche Verfolgung von Unternehmenskriminalität durch das Opportunitätsprinzip im Ordnungswidrigkeitenrecht;
  • Lücken in der Verfolgbarkeit von Auslandstaten und
  • unzeitgemäßes Verfahrensrecht.

Verbandssanktionengesetz – welche Neuregelungen gibt es?

Verbandsstraftaten einführen

Außerhalb des Ordnungswidrigkeitenrechts, aber unterhalb der Schwere von Individualstraftaten, will das BMJV den neuen Typus der Verbandsstraftaten einführen. Die dazugehörigen Regelungen werden in ein eigenes Gesetz überführt.

Der Begriff „Verband“ umfasst alle juristischen Personen und Personenvereinigungen. Nach der Entwurfsbegründung  für ein Verbandssanktionengesetz sollen zwar die einzelnen Konzerngesellschaften, aber nicht der Konzern selbst als Verband gelten.

Eine Verbandsstraftat soll vorliegen, wenn durch eine Handlung „Pflichten, die den Verband treffen, verletzt worden sind oder durch die der Verband bereichert worden ist oder werden sollte“.

Neben Vermögens- und Steuerdelikten soll eine Verbandsstraftat z.B. auch strafbare Menschenrechtsverletzungen, Umweltdelikte und Straftaten gegen den Wettbewerb umfassen.

Eine Verbandssanktion wird verhängt, wenn

  • eine Leitungsperson des Verbandes selbst eine Verbandsstraftat begeht oder
  • wenn eine andere Person eine Verbandsstraftat begeht und diese durch angemessene Präventivmaßnahmen, v.a. in den Bereichen Organisation, Auswahl, Anleitung und Aufsicht hätte verhindert oder wesentlich erschwert werden können.

Höchstgrenze für eine Verbandsgeldsanktion angehoben

Die aktuelle Höchstgrenze für eine Geldbuße von 10 Millionen Euro nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz soll grds. auch für Verbandsgeldsanktionengelten. Für Unternehmen mit einem Konzernumsatz von mehr als 100 Millionen Euro soll eine umsatzbezogene Obergrenze von 10 Prozent des Jahresumsatzes des Konzernverbundes gelten.

Das Instrument der Gewinnabschöpfung soll erhalten bleiben. Durch dieses Instrument konnte man nach Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) auch dreistellige Millionenbeträge von Unternehmen einfordern, z.B. bei Korruptionsstraftaten.

Erweiterte Sanktionsmöglichkeiten, flexiblere Sanktionierung

Das BMJV will das Instrument einer Verwarnung mit Verbandssanktionsvorbehalt einführen. Die Verwarnung kann mit Auflagen und Weisungen verbunden werden. Die Weisung kann sich auf konkrete Maßnahmen zur Verbesserung des Compliance Programms beziehen.

Das Gericht kann zudem anordnen, dass eine „sachkundige Stelle“ die Umsetzung bestätigt. Das entspricht dem aus anderen Jurisdiktionen bekannten „Compliance Monitor“.

Verurteilungen nach dem VerSanG werden in ein Verbandssanktionenregister eingetragen. Dieses ist i.d.R. nicht öffentlich einsehbar, sondern steht nur ausgewählten Behörden zur Verfügung.

Hat das Verhalten des Verbandes jedoch eine große Anzahl von Personen geschädigt, kann die Verurteilung des Verbandes öffentlich bekannt gemacht werden. Dadurch sollen die verletzten Personen genügend Informationen erhalten, um ihre Ansprüche zu prüfen.

Bei der Berücksichtigung von Compliance-Programmen und verbandsinternen Untersuchungen geht der Referentenentwurf zwei unterschiedliche Wege:

Weg 1: Compliance-Programm misst Verbandsgeldsanktion

Bei der Bemessung der Verbandsgeldsanktion soll das Gericht bestimmte Umstände berücksichtigen. Dazu zählen folgende Faktoren:

  • Vor der Verbandsstraftat getroffene Vorkehrungen, um Verbandsstraftaten zu vermeiden oder aufzudecken,
  • das Bemühen des Verbandes, die Verbandsstraftat aufzudecken und den Schaden wiedergutzumachen und
  • nach der Verbandsstraftat getroffene Vorkehrungen, um Verbandsstraftaten zu vermeiden oder aufzudecken.

Hat das Compliance-Programm die Verbandsstraftat nicht angemessen verhindert oder sie nicht wesentlich erschwert, werden Compliance-Bemühungen dennoch bei der Bemessung der Verbandsgeldsanktion zugunsten des Verbands berücksichtigt.

Dem Verband soll auch zugute kommen, wenn er zur Aufklärung beiträgt (außerhalb der neuen Rahmenbedingungen für interne Untersuchungen) und Maßnahmen ergreift, um die identifizierten Lücken im Compliance-Programm zu schließen oder die Verbandsstraftat freiwillig offenlegt.

Weg 2: Interne Untersuchungen als Milderungsgrund

Den Verband trifft eine gemilderte Verbandssanktion, wenn er selbst oder durch Dritte wesentlich dazu beigetragen hat, die Verbandsstraftat aufzuklären. Die Milderung durch eine verbandsinterne Untersuchung beträgt 50 Prozent.

Voraussetzungen:

  • Der Verband muss ununterbrochen und uneingeschränkt mit den Verfolgungsbehörden zusammenarbeiten;
  • Beauftragt der Verband einen Dritten mit der verbandsinternen Untersuchung, darf dieser nicht Verteidiger des Verbandes oder einer beschuldigten Person i.d.Z. sein;
  • Der Verband stellt der Verfolgungsbehörde nach Abschluss der verbandsinternen Untersuchung den Abschlussbericht mit dem Ergebnis sowie allen wesentlichen Dokumenten bereit;
  • Die verbandsinterne Untersuchung muss in Übereinstimmung mit den geltenden Gesetzen und Grundsätzen eines fairen Verfahrens durchgeführt worden sein. Als wichtigste Rechtsbereiche bei internen Untersuchungen werden das Datenschutzrecht und das Arbeitsrecht angesehen.

Die Voraussetzungen sind gegenüber der Verfolgungsbehörde, i.d.R. gegenüber der Staatsanwaltschaft, zu dokumentieren.

Der Referentenentwurf  für ein Verbandssanktionengesetz unterstreicht: Die interne Untersuchung muss unabhängig erfolgen. Sie muss entlastende und belastende Umstände ermitteln. Um die Glaubwürdigkeit interner Untersuchungen nicht abzuschwächen, sollte man daher die Durchführung der internen Untersuchung und die Unternehmensverteidigung nicht funktional voneinander trennen.

Zwar darf dieselbe Kanzlei untersuchen und verteidigen, aber nicht dieselben Personen. Laut Entwurfsbegründung sind Sicherungsmaßnahmen einzuführen, damit die Verteidiger keinen Zugriff auf die Erkenntnisse der internen Untersuchung haben.

Damit der Verband von der Milderung profitiert, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:

Grundsätze eines fairen Verfahrens für interne Untersuchungen

Seit langem in der Diskussion sind v.a. einige der Aspekte, wonach die verbandsinterne Untersuchung unter Beachtung der Grundsätze eines fairen Verfahrens durchgeführt worden sein muss. Einige Aspekte sollen nun gesetzlich geklärt werden:

  • Mitarbeiter sind vor einer Befragung darauf hinzuweisen, dass ihre Auskünfte in einem Strafverfahren gegen sie verwendet werden können;
  • Befragte sind vorab darauf hinzuweisen, dass sie das Recht haben, einen anwaltlichen Beistand oder ein Betriebsratsmitglied hinzuzuziehen;
  • Befragte dürfen die Aussage verweigern, wenn sie sich oder enge Angehörige belasten müssten.

Legalitätsprinzip einführen

Wegen des Opportunitätsprinzips im Ordnungswidrigkeitenrecht kam es zu einer uneinheitlichen Verfolgungspraxis. Die Verfolgung von Verbandstraftaten soll nicht mehr von regionalen Besonderheiten oder der personalen Ausstattung und Auslastung von Polizei und Justiz abhängen.

Für Verbandsstraftaten soll nun das Legalitätsprinzip gelten. Das heißt: Die Verfolgungsbehörden müssten dann bei einem Anfangsverdacht ermitteln.

Angepasstes Verfahrensrecht

Das Verbandssanktionenrecht würde den Verbänden offiziell die Stellung eines Beschuldigten einräumen. Die Stellung beeinflusst u.a. den Beschlagnahmeschutz von Dokumenten.

Der Umfang dieses Beschlagnahmeschutzes wurde in den letzten Jahren intensiv diskutiert und führte teils zu widersprüchlichen Gerichtsentscheidungen. Auch künftig soll der Beschlagnahmeschutz erst dann greifen, wenn der Verband eine Beschuldigtenstellung hat.

Maßnahmen zur internen Compliance oder Untersuchungsmaßnahmen sind unabhängig von der Beschuldigtenstellung nicht geschützt. Außerdem ist der Schutz nicht konzernübergreifend.

Was sollten Unternehmen jetzt tun?

Wichtigste Aufgabe für Rechts- und Compliance-Abteilungen ist es, sich mit den vorgeschlagenen Neuregelungen des Verbandssanktionengesetzes vertraut zu machen. Es sollte klar sein, welche Voraussetzungen bei der Durchführung von internen Untersuchungen und in der Zusammenarbeit mit Verfolgungsbehörden einzuhalten sind. Nur dann kann man die geplanten Vorteile in Anspruch nehmen.

Erfreulich ist, dass Rahmenbedingungen für interne Untersuchungen eingeführt werden soll, damit Unternehmen vorhersehbar davon profitieren, wenn sie faire und rechtskonforme Untersuchungen durchführen.

Compliance-Programme prüfen

Unternehmen sollten nicht nur das richtige Verhalten im Ernstfall prüfen. Auch ihre präventiven Compliance-Programme sollten sie bereits jetzt in punkto Effektivität unter die Lupe nehmen.

Durch den erhöhten Sanktionsrahmen kann ein effektives Compliance-Programm künftig noch wertvoller sein. Dank eines Compliance-Programms, gekoppelt mit einer sauberen Dokumentation, können Unternehmen hohe Strafen verhindern.

Dazu gehören auch spezifische, unternehmensinterne Vorschriften, wie mit Verdachtsmomenten auf Fehlverhalten umzugehen ist.

Messbarer Bonus für Investitionen in Compliance

Der Referentenentwurf  für ein Verbandssanktionengesetz verlangt v.a. von größeren Unternehmen, dass sie ein risikoadäquates Compliance-Programm einführen und unterhalten. Außerdem müssen sie Verdachtsmomenten sorgfältig nachgehen und identifizierte Schwachstellen schließen, um das Programm nachhaltig zu verbessern.

Im Gegenzug lohnen sich bisherige und künftige Investitionen in Compliance: Dafür gäbe es nach dem vorgeschlagenen Konzept einen messbaren Bonus.

Author

Nicolai Behr ist Partner bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern

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Anahita Thoms ist Partner bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern