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Die soziale Verantwortung von Unternehmen – Corporate Social Responsibility (CSR) – rückte in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus von Gesetzgebern, Unternehmen und Stakeholdern. Ein Überblick über die Entwicklung, bestehende Rechtspflichten und aktuelle Gesetzesvorhaben.

Lange Zeit galt Corporate Social Responsibility als Synonym für freiwilliges Engagement von Unternehmen für die Gesellschaft. Seit einigen Jahren verschiebt sich das Begriffsverständnis: Heute versteht man darunter die allgemeine Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft.

Unternehmen sollen soziale, ökologische, wirtschaftsethische, menschenrechtliche Belange aktiv verfolgen – und das möglichst innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette.

Bereits 2000 forderte der „United Nations Global Compact“ eine verantwortungsvolle Unternehmensführung. Doch erst die vom UN-Menschenrechtsrat 2011 verabschiedeten „UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte“ nahmen Unternehmen aktiv und umfassend in die Verantwortung. Die Leitprinzipien griff auch die OECD 2011 in ihren „Leitsätzen für multinationale Unternehmen“ auf.

2015 flossen diese Gedanken auch in die „Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung“ der UN in den 17 Sustainable Development Goals (SDGs) ein – und rückten dadurch vermehrt in den Fokus der Gesetzgeber weltweit.

Die Leitprinzipien sehen eine „intelligente Mischung“ aus nationalen und internationalen Maßnahmen vor. So kam es zu zahlreichen neuen freiwilligen und verpflichtenden Regelungen für Unternehmen.

Ende der Freiwilligkeit: Berichtspflichten für große Unternehmen

Mit Verabschiedung der CSR-Richtlinie 2014 in der EU und der deutschen Umsetzung in Form des CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes von 2017 gibt es seitdem erstmals verpflichtende Berichtspflichten für große deutsche Unternehmen im Hinblick auf nichtfinanziellen Interessen.

Ungeachtet davon können deutsche Unternehmen auch im Ausland nichtfinanziellen Berichtspflichten unterliegen, so insb. in Australien, Frankreich, UK und den USA (CA).

Die Berichtspflichten betreffen alle Unternehmen, die kapitalmarktorientiert (§ 264d HGB) und „groß“ sind (§ 267 Abs. 3 HGB). In einem Geschäftsjahr müssen sie daher mind. zwei der folgenden drei Kriterien erfüllen: Umsatzsumme größer als 20 Millionen Euro, Umsatzerlös mehr als 40 Millionen Euro oder mehr als 250 beschäftigte Arbeitnehmer.

Im Rahmen einer nichtfinanziellen Erklärung (§ 289c HGB) müssen die Unternehmen Ausführungen machen zu allen wesentlichen nichtfinanziellen Belangen. Zumindest müssen sie darlegen, inwieweit sie Umwelt-, Arbeitnehmer-, Sozialbelange berücksichtigen, Menschenrechte achten, Korruption und Bestechung bekämpfen und dabei verfolgte Konzepte näher beschreiben.

Die Unternehmen sollten freiwillig eines der umfassenden nationalen, europäischen oder internationalen Rahmenwerke befolgen (§ 289d HGB). Sollte ein Unternehmen keine Konzepte verfolgen oder kein Rahmenwerk verwenden, muss es das begründen (comply or explain).

Ambitionierte nationale Zielsetzungen

Auf freiwilliger Ebene setzt in Deutschland zunächst der Nationale Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte 2016-2020 an. In diesem Aktionsplan formuliert die Bundesregierung eine klare Erwartungshaltung an die unternehmerische Sorgfalt zur Achtung der Menschenrechte.

Sie erwartet von allen Unternehmen eine Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte, ein Verfahren zur Ermittlung tatsächlicher und potenziell nachteiliger Auswirkungen auf diese, Maßnahmen zur Abwendung potenziell negativer Auswirkungen und Überprüfung der Wirksamkeit solcher Maßnahmen, eine effektive Berichterstattung und einen Beschwerdemechanismus.

Ziel ist: Bis 2020 sollen mind. die Hälfte aller in Deutschland ansässigen Unternehmen mit über 500 Mitarbeitern diese menschenrechtliche Sorgfaltspflichten in ihre Unternehmensprozesse integriert haben. Der nationale Aktionsplan richtet sich daher an deutlich mehr Unternehmen als die nichtfinanziellen Berichtspflichten nach §§ 289b ff. HGB.

Für die Unternehmen begründet dies unmittelbar zwar keine neuen Pflichten. Doch die Botschaft ist klar: Wird das Ziel nicht erreicht, so ist der Plan, eine gesetzliche Verpflichtung einzuführen – idealerweise sogar auf EU-Ebene.

Ob das Ziel erreicht wird, soll ein Monitoring feststellen. Anhand repräsentativer Stichproben von Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten mit Sitz in Deutschland ermittelt man, ob die Anforderungen an menschenrechtliche Sorgfaltspflichten bereits umgesetzt wurden.

Die erste Phase des Monitorings sollte bereits im Mai 2019 starten, wurde jedoch wegen politischer Differenzen aufgeschoben. Die zweite Phase ist für Anfang 2020 geplant.

Folgt ein deutscher „Modern Slavery Act“?

Bisher hielt sich der Gesetzgeber auf dem Gebiet der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten eher zurück und es wurde lange Zeit als unwahrscheinlich abgetan, dass verpflichtende Sorgfaltsregeln eingeführt werden. Im Februar 2019 wurde jedoch berichtet:

Im Bundesentwicklungsministerium (BMZ) unter Minister Gerd Müller wird bereits nach dem Vorbild des „Modern Slavery Acts“ des Vereinigten Königsreichs von 2015 ein Wertschöpfungskettengesetz erarbeitet. Dieses verpflichtet Unternehmen, die Maßnahmen des Nationalen Aktionsplans einzuhalten. Das Gesetz soll v.a. dazu dienen, Menschenrechte in Wertschöpfungsketten zu schützen.

Der – bisher nicht offiziell veröffentlichte – Entwurf richtet sich an alle Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von mindestens 40 Millionen Euro. Er soll Unternehmen zu einer sektor- und landesbasierten Due Diligence verpflichten. Konkret werden die Sektoren Landwirtschaft, Energie, Bergbau, Textil-, Leder- und Elektronikproduktion genannt.

Zudem soll ausländischen Beschäftigten ein interner Beschwerdemechanismus zur Verfügung stehen. Dieser soll Hinweisgeber vor jeglichen Nachteilen schützen und ein eigener Compliance-Beauftragter soll dafür eingesetzt werden.

Nächste Stufe: Einführung von harten Sanktionen?

Außerdem sollen nach dem Entwurf Verstöße gegen diese Pflichten künftig auch staatlich sanktioniert werden. Konkret sind Bußgelder bis zu fünf Millionen Euro, Freiheitsstrafen und der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge im Inland vorgesehen.

Das wäre auch im internationalen Vergleich ein Novum. Zwar sehen andere nationale Regelungen, wie der „Modern Slavery Act“ (UK), das „Loi relative au devoir de vigilance“ (Frankreich) oder der „Transparency in Supply Chain Act“ (CA, USA) ähnliche Verpflichtungen für Unternehmen vor. Doch fehlt ihnen bisher ein Sanktionsmechanismus, der über „name and shame“ hinausgeht.

Unterstützung dafür erhält Deutschland aus den Niederlanden: Das frisch verabschiedete „Wet Zorgplicht Kinderarbeid“ (Child Labour Act) sieht, wie der deutsche Vorschlag, empfindliche Sanktionen und sogar Freiheitsstrafen vor, anwendbar ab frühestens 2020.

Auch die neue finnische Regierung, die die Ratspräsidentschaft in der 2. Jahreshälfte 2019 inne hat, kündigte bereits an, die Einführung eines Gesetzes auf die EU-Agenda zu setzen. Somit zeigt sich eine Tendenz zur Bereitschaft der Einführung von sanktionierten Rechtspflichten.

Ob ein solch umfassendes Gesetz in Deutschland realistische Aussichten auf Erfolg hat, ist fraglich. Während das Bundeswirtschaftsministerium und Kanzleramt bereits ersten Widerstand signalisiert haben, bekundete Arbeitsminister Hubertus Heil Zustimmung.

CSR ist Vorstandsthema

Das Thema Corporate Social Responsibility können Unternehmen bereits seit geraumer Zeit nicht mehr ignorieren. Nicht nur, um den steigenden Erwartungen der Stakeholder und institutionellen Investoren gerecht zu werden, steht das Thema immer häufiger auf der Agenda von Vorstand und Aufsichtsrat.

Die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen rückte seit längerem stärker in den Fokus der Öffentlichkeit – zunächst auf freiwillige Verpflichtungen beschränkt. Nun folgen auch vermehrt rechtliche Verpflichtungen. Wird das im Nationalen Aktionsplan anvisierte Ziel bis 2020 nicht erreicht, müssen Unternehmen mit weitreichenden Pflichten rechnen.

 

Author

Anahita Thoms ist Partner bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern

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Martin Junker ist Law Clerk bei Baker McKenzie.