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Auch in der Arbeitswelt 4.0. gelten die Regeln des Arbeitszeitgesetzes. Wir zeigen Ihnen, worauf Sie als Arbeitgeber achten müssen, wenn Mitarbeiter flexible Arbeitszeiten wählen, und was zu tun ist, um Haftung zu vermeiden.

Vor Ort im Betrieb arbeiten und Freizeit haben, wenn man das Büro verlässt? Dieses klassische Leitbild eines Arbeitnehmers finden wir in der Arbeitswelt 4.0 immer seltener. Arbeitnehmer wünschen sich, im Homeoffice zu arbeiten und gestalten ihren Arbeitsalltag oft flexibel. Arbeitgeber hegen den Wunsch, ihre Arbeitnehmer auch außerhalb der Präsenzzeiten erreichen zu können. Dank Diensthandy oder -laptop ist das möglich.

Am Ende haftet der Arbeitgeber

Arbeitgeber müssen darauf achten, dass ihre Arbeitnehmer die gesetzlichen Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes einhalten, wenn sie außerhalb der Betriebsstätte tätig werden – sonst drohen Arbeitgebern finanzielle Haftungsrisiken, vor allem Bußgelder. Denn das Arbeitszeitgesetz richtet sich nach dem eingangs skizzierten klassischen Leitbild. Am Ende haftet der Arbeitgeber, nicht der Arbeitnehmer.

Wo liegen Risiken, welche Bußgelder drohen?

Die folgende Aufstellung orientiert sich am maßgeblichen Bußgeldkatalog der Länder, der die Praxis der Aufsichtsbehörden vereinheitlichen soll (LV 60 Bußgeldkataloge zum Arbeitszeit-, zum Jugendarbeitsschutz- und zum Mutterschutzrecht (2014)). Die Bußgelder sind Regelbußgelder bei vorsätzlicher Begehung und geben einen Einblick, welche finanzielle Haftung bestehen kann. Handelt der Arbeitgeber fahrlässig, sollen die Bußgelder bis zur Hälfte ermäßigt werden. Im Einzelfall können Bußgelder erhöht oder ermäßigt werden.

Risiko Nr. 1: Höchstarbeitszeit, § 3 ArbZG

Arbeitnehmer dürfen an Werktagen – Montag bis Samstag – täglich maximal acht Stunden arbeiten. Arbeitnehmer können in Ausnahmefällen bis zu zehn Stunden arbeiten. Diese Ausnahme gilt allerdings nur, wenn innerhalb von sechs Monaten oder 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden nicht überschritten werden.

Typischer Fall: Ein Projekt im Homeoffice verlangt vom Arbeitnehmer, vorübergehend mehr zu arbeiten. Dieser überschreitet die Höchstarbeitszeit von acht bzw. zehn Stunden, ohne im Ausgleichszeitraum weniger zu arbeiten.

Bußgeld: 75 Euro je angefangene Stunde über der täglichen Arbeitszeit können als Bußgeld erwartet werden.

Risiko Nr. 2: Ruhepausen, § 4 ArbZG

Bei einer täglichen Arbeitszeit von sechs bis neun Stunden muss der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern eine Ruhepause von 30 Minuten gewähren; bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden eine Ruhepause von 45 Minuten. Diese Ruhepausen können in Zeitabschnitte von jeweils 15 Minuten aufgeteilt werden. Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden.

Typischer Fall: Eine Arbeitnehmerin nimmt die vorgeschriebene Pause im Homeoffice nicht, um ihre tägliche Arbeit früher beenden zu können.

Bußgeld: 300 Euro je nicht gewährte vorgeschriebene Pause können fällig werden.

Risiko Nr. 3: Ruhezeit, § 5 ArbZG

Nach dem Ende der täglichen Arbeitszeit muss Arbeitnehmern eine ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden gewährt werden. Arbeitnehmer dürfen also nach der letzten Arbeitsleistung erst nach elf Stunden wieder die Arbeit aufnehmen.

Typischer Fall: Ein Arbeitnehmer besitzt ein Diensthandy und antwortet abends um 23 Uhr auf eine geschäftliche E-Mail seines Arbeitgebers. Am nächsten Tag beginnt er um 9 Uhr mit der Arbeit.

Bußgeld: 75 Euro je angefangene Stunde, in der die vorgeschriebene Dauer der Mindestruhezeit unterschritten wird, können zu zahlen sein.

Risiko Nr. 4: Sonn- und Feiertagsruhe, § 9 ArbZG

Arbeitnehmer dürfen an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 0 bis 24 Uhr nicht beschäftigt werden. Es gilt das Gebot der Sonn- und Feiertagsruhe. Nur in Ausnahmefällen ist Sonn- und Feiertagsarbeit zulässig, wie beispielsweise bei der Feuerwehr oder in Krankenhäusern. Werden Arbeitnehmer an einem Sonntag beschäftigt, muss ihnen innerhalb von zwei Wochen ein Ersatzruhetag gewährt werden. Hierbei ist zu beachten, dass ein Ersatzruhetag an einem Werktag zu gewähren ist. Solange ein Arbeitnehmer an einem Samstag nicht arbeiten muss, kann dieser Samstag bereits als der Ersatzruhetag angesehen werden. Bei Feiertagen kann der Ersatzruhetag innerhalb von acht Wochen gewährt werden.

Typischer Fall: Eine Arbeitnehmerin erstellt an einem Sonntag eine Präsentation, um am darauffolgenden Montag die Produkte des Arbeitgebers erfolgreich vorstellen zu können.

Bußgeld: 375 Euro je beschäftigten Sonn- oder Feiertag; 350 Euro je nicht oder nicht rechtzeitig gewährten Ersatzruhetag drohen hier.

Risiko Nr. 5: Aufzeichnung der Arbeitszeit, § 16 ArbZG

Arbeitgeber müssen die Arbeitszeit aufzeichnen, die acht Stunden an Werktagen überschreitet und die an Sonn- und Feiertagen geleistet wird. Die Nachweise sind mindestens zwei Jahre aufzubewahren.

Typischer Fall: Einem Arbeitnehmer werden Überstunden nicht vergütet, weil sein Gehalt über der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung liegt. Er zeichnet seine Überstunden im Homeoffice daher nicht auf.

Bußgeld: 1.600 Euro je Fall, in dem die Arbeitszeit nicht aufgezeichnet wurde oder die Aufzeichnungen nicht aufbewahrt wurden, können berechnet werden.

Spagat zwischen flexibler Arbeit und Haftungsvermeidung meistern

In der Arbeitswelt 4.0 haben Arbeitgeber im Vergleich zur klassischen Büropräsenzzeit weniger Möglichkeiten zu kontrollieren, wie ihre Mitarbeiter ihre Arbeitszeit gestalten.

Um Haftung zu vermeiden, sollten Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer umfassend über die Regeln des Arbeitszeitgesetzes informieren und von ihnen verlangen, ihre tägliche Arbeitszeit und Pausen zu dokumentieren. So können sie überprüfen, ob sie die Vorgaben einhalten – und schaffen gleichzeitig den Spagat:

Sie werden zum einen dem Wunsch nach Flexibilität ihrer Arbeitnehmer gerecht, zum anderen vermeiden sie Ihre eigene Haftung nach dem Arbeitszeitgesetz.

Author

Agnes Herwig ist Associate bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern