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Im digitalen Zeitalter sind IP-Adressen eine wichtige Ressource: Für den Zugriff auf das Internet benötigt jedes Gerät eine eigene IP-Adresse. Doch die Ressource wird zunehmend knapp und IPv4-Adressen von IT-Dienstleistern werden gegen Millionenzahlungen gehandelt.

Was ist beim Kauf von Legacy-IP-Adressen zu beachten? Und weshalb schlummert bei manchen Unternehmen (unbemerkt) ein Goldschatz in der IT-Abteilung?

 Dank IP-Adresse ist Datenaustausch möglich

 Heute ist es alltäglich, über verschiedene Geräte mit dem Internet vernetzt zu sein. Sei es der Laptop, das Smartphone, das eigene Auto oder der Kühlschrank: Auch Sie besitzen vermutlich mehrere Geräte, mit denen Sie „online gehen“ und auf das Internet zugreifen können.

Jedes Gerät benötigt hierzu eine eigene Adresse, die sog. IP-Adresse (z.B. 192.168.0.1.). Nur so ist ein Gerät für andere Geräte eindeutig identifizierbar und ein Datenaustausch zwischen Internetteilnehmern möglich und nur so kann beispielsweise eine Website abgerufen und per Internettelefonie kommuniziert werden.

Adressraum bald erschöpft

Die Zuweisung einer IP-Adresse geschieht für den Nutzer unbemerkt und automatisch. Technisch wird hierzu überwiegend das IPv4-Protokoll verwendet, da die flächendeckende Einführung des Nachfolgeprotokolls IPv6 noch nicht absehbar ist.

Problematisch dabei: Das IPv4-Protokoll erstreckt sich lediglich über den Adressraum von 0.0.0.0. bis 255.255.255.255 und hält damit rechnerisch „nur“ 4.294.967.295 Adressen bereit. Es war schon früh absehbar, dass dieser Adressraum in kurzer Zeit erschöpft sein wird und dringend weitere IP-Adressen nötig sind, um allen Nutzern den Zugang zum Internet zu ermöglichen.

Zugriff auf das Internet – bald nicht mehr für jeden?

 Wenn das IPv6-Protokoll eingeführt wird, erweitert sich der Adressraum von knapp 4,3 Milliarden auf etwa 340 Sextillionen (eine Zahl mit 36 Nullen!) Adressen. Doch die Einführung dieses Protokolls verläuft schleppend. Es gibt technische und organisatorische Schwierigkeiten und das Protokoll ist nicht kompatibel mit älterer Hard- und Software.

Daher ist es möglich, dass nicht mehr jeder jederzeit auf das Internet zugreifen kann, sondern warten muss, bis wieder eine (dynamisch vergebene) IP-Adresse frei wird. Heise.de berichtete kürzlich, dass IPv4-Adressen sogar gestohlen werden.

Legacy-IP-Adressen – aus der „Vorzeit“ des Internets

 Neben dem öffentlich verfügbaren Adresspool existieren sog. Legacy-IP-Adressen. Diese stammen aus der Zeit der Anfänge des Internets – und damit aus einer Zeit, bevor ab 1998 die Internet Assigned Numbers Authority (IANA) die IP-Adressen vergab. Die Entstehungsgeschichte des Internets ist äußerst komplex.

So dynamisch, wie sich das heutige Internet aus dessen „Vorgänger“, dem militärisch und wissenschaftlich genutzten ARPANET, entwickelt hat, so dynamisch gestaltete sich auch die Vergabe von IP-Adressen: Heute vergeben die amerikanische IANA und deren Regional Internet Registries (RIRs), wie z.B. das europäischen Réseaux IP Européens Network Coordination Centre (RIPE NCC), die IP-Adressen. Dies geschieht auf Basis eines hierarchischen und klar strukturierten Systems.

Das war nicht immer so: In den Anfangszeiten des Internets bis Mitte der 1990er Jahre wurden IP-Adressen ohne ein besonderes Zuteilungsverfahren an Universitäten und Unternehmen vergeben. So erhielten sie Zugang zu dem sich gerade erst bzw. immer weiter entwickelnden Internet.

Da noch niemand die Entwicklung und den Erfolg des Internets absehen konnte, wurden meist großzügig Adressblöcke zu je 16 Millionen Adressen vergeben. Diese sind noch heute im Besitz der Unternehmen, die sie aber nur zu einem sehr kleinen Teil nutzen. Solche Adressen bezeichnet man als „Legacy-IP-Adressen“, also Adressen aus der „Vorzeit“ des heutigen Internet.

 „Legacy-IP-Adressen“: begehrt und auf Graumarkt gehandelt

Da IP-Adressen inzwischen knapp sind, werden Legacy-IP-Adressen mittlerweile auf Online-Handelsplattformen für zweistellige Dollarbeträge pro einzelner IP-Adresse gehandelt. Bei Unternehmen, die vor Jahrzehnten millionenfach vermeintlich wertlose IP-Adressen erhalten haben, schlummert heute also womöglich ein Millionenschatz in der IT-Abteilung. Unternehmen, die stetig neue IP-Adressen benötigen, müssen hingegen erhebliche Geldbeträge aufwenden, um diese Adressen am Markt einzukaufen.

Durch die eingetretene Verknappung von IP-Adressen haben sich die eigentlich als bloß technisches Identifizierungsmerkmal und damit als reines Vehikel für das Funktionieren des Internet dienenden IP-Adressen also zu einem Wirtschaftsgut entwickelt und einen Graumarkt entstehen lassen

Rechtliche Schwierigkeiten beim Handel mit Legacy IPv4-Adressen

Im Zusammenhang mit dem Handel von Legacy-IP-Adressen kommen zahlreiche schwierige Fragen auf. Gibt es überhaupt so etwas wie „Eigentum“ an Legacy-IP-Adressen? Können diese verkauft und übertragen werden? Deutsche Rechtsprechung oder Literatur existiert dazu quasi nicht.

In der US-amerikanischen Literatur ist hoch umstritten, ob es so etwas wie ein “property right“, also ein Ausschließlichkeitsrecht an einer IP-Adresse, geben kann oder ob es sich dabei um ein nicht monopolisierbares Allgemeingut handelt.

Einen Überblick finden Sie in unserem Fachbeitrag: „Der Handel mit Legacy-IP-Adressen; Untersuchung der Rechtsverhältnisse an IPv4-Adressen“, der die noch immer ungeklärte Thematik vertieft schildert.

IP-Adressen – kein geistiges Eigentum

Unabhängig von der Frage, nach welcher Rechtsordnung das überhaupt zu bewerten ist, wird man auf Basis der deutschen Rechtsdogmatik nicht davon ausgehen können, dass es eigentumsähnliche absolute Rechte an IP-Adressen gibt. IP-Adressen sind weder ein Mobiliar- noch ein Immobiliargut. Auch ein Immaterialgut i.S.d. Rechts des geistigen Eigentums scheidet aus. Denn IP-Adressen lassen sich per se nicht als Design, Marke oder Patent einordnen.

Denkbar wäre, sie als vertraglich exklusiv zugewiesene Rechtsposition einzustufen. Entscheidend ist die Frage, wie man die vor Jahrzehnten und meist ohne schriftlichen Vertrag erfolgte Übertragung der Legacy-IP-Adressen auf Unternehmen und Universitäten auslegt. Vieles spricht dafür, die Legacy-IP-Adressen auf Basis einer (ergänzenden) Vertragsauslegung als verkehrsfähige Rechtsposition anzusehen.

Da die Parteien bei Zuweisung der Adressen nicht davon ausgegangen sein dürften, dass die einmal zugeteilten IP-Adressen dem neuen Inhaber ohne weiteres wieder entzogen werden können, liegt die Einordnung als verkehrsfähige Rechtsposition nahe.

Damit handelt es sich bei der Vergabe der Legacy-IP-Adressen um keine bloß faktische Zuweisung, sondern eine rechtlich verbindliche Übertagung einer schuldrechtliche Rechtsposition. Diese kann frei verkauft und an Dritte übertragen werden, da keine Beschränkungen vereinbart wurden. Ein Verkauf von IP-Adressen ist also grundsätzlich möglich.

Problematik der “No-Property-Clauses“: Erwerber hat keine Eigentumsrechte an IP-Adressen

In der Praxis stellt sich beim Verkauf der IP-Adressen folgendes Problem: Die RIRs verwalten auch technisch die Legacy-IP-Adressen. Das bedeutet für den Transfer der Adressen, dass die RIRs diese technisch auf den neuen Inhaber umschalten müssen. Hierfür verlangen die RIRs jedoch meist den Abschluss eines sog. Legacy-Ressource-Service-Agreements (LRSA).

Diese Agreements sind ungünstig, da der Erwerber der Legacy-IP-Adressen sie formal der Kontrolle des RIRs unterstellt. Wegen einer “No-Property-Clause” in diesen Verträgen erkennt er an, keinerlei (auch nur vertragliche) Eigentums- oder eigentumsähnlichen Rechte an den IP-Adressen zu haben.

Es wird ihm durch den RIR zwar zugesichert, die IP-Adressen exklusiv nutzen zu können, er muss aber eigentums(ähnliche) Rechte an den Adressen aufgeben. Das dürfte für den Käufer kaum akzeptabel sein, da er für diese gerade einen Millionenbetrag bezahlt hat.

Was ist bei Kaufverträgen über Legacy-IP-Adressen zu beachten?

Beim Entwurf und bei der Verhandlung von Kaufverträgen über Legacy-IP-Adressen lauern aufgrund der geschilderten rechtlichen Schwierigkeiten und Unsicherheiten einige Fallstricke. Folgende Punkte sollten Käufer von IP-Adressen beim Abschluss von Verträgen unbedingt beachten:

  • Die zu erwerbenden Legacy-IP-Adressen müssen im Kauf- und Übertragungsvertrag präzise definiert werden.
  • Wegen der Unsicherheiten, welche Rechte an Legacy-IP-Adressen überhaupt bestehen, ist dafür zu sorgen, möglichst weitgehend Rechte einzuräumen.
  • Der Käufer muss sich vom Verkäufer weitgehende Mitwirkungsverpflichtungen – gerade in Bezug auf den zuständigen RIR – zusichern lassen, um den IP-Adresstransfer überhaupt durchführen zu können.
  • Der Kaufvertrag muss Regelungen vorsehen, falls sich die zuständige RIR weigert, den IP-Adresstransfer durchzuführen.
  • Bei parallelen Verhandlungen mit dem RIR sollte eine “No-Property-Clause“ aus dem LRSA gestrichen werden.

Neben all diesen Punkten sollten sich die Vertragsparteien immer bewusst sein: Sie bewegen sich auf neuem und vergleichsweise unsicherem rechtlichem Terrain.

Author

Markus Hecht ist Counsel bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern