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Mit der Entscheidung vom 04.12.2019 hat das LAG München die bisherige Rechtsprechung (siehe z.B. LAG Hessen) bestätigt: Crowdworker (siehe Kompass-Beitrag) sind grundsätzlich keine Arbeitnehmer einer Internetplattform. Was bedeutet die Entscheidung für Unternehmen?

Darüber entschied das LAG

Der Kläger übernahm als Crowdworker für ca. elf Monate insgesamt etwa 3.000 kleinere Einzelaufträge. Diese wurden ihm über die Internetplattform Roamler vermittelt. Die Aufträge betrafen v.a. die Kontrolle einer bestimmten Warenpräsentation im Einzelhandel oder an Tankstellen als sog. „Mystery Guest“.

Die Rahmenbedingungen für die einzelnen Aufträge waren in einer Basis-Vereinbarung zwischen dem Kläger und Roamler geregelt. Hiernach stand es dem Kläger frei, ob er verfügbare Aufträge annehmen möchte oder nicht. Umgekehrt war auch Roamler nicht verpflichtet, dem Kläger Aufträge anzubieten.

Der Kläger sollte an keine Vorgaben zu Arbeitsort und Arbeitszeit gebunden sein. Lediglich projektbezogene Zeitvorgaben und fachliche Vorgaben zur ordnungsgemäßen Projektdurchführung sollten eingehalten werden (z.B. Art und Weise der Datenerhebung im Einzelhandel oder Tankstelle, Bekleidung, Wahrung der Anonymität).

Jeweils nach Annahme eines einzelnen Auftrags suchte der Kläger die im Auftrag definierten Märkte, Tankstellen, etc. auf, erfasste die im Auftrag geforderten Informationen und Bilder und leitete sie über eine App an Roamler weiter.

Auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses verklagt

Nach Unstimmigkeiten zwischen den Parteien sperrte Roamler den Account des Klägers. Dieser klagte daraufhin mit Unterstützung der Gewerkschaft IG Metall vor dem Arbeitsgericht München u.a. auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses mit Roamler.

Die Begründung: Er habe stets sehr enge Vorgaben von Roamler für die Auftragserfüllung bekommen. Die von Roamler zur Verfügung gestellte App sei sein wesentliches Arbeitsmittel gewesen. Roamler hingegen argumentierte, er sei nicht an zeitliche oder inhaltliche Weisungen gebunden gewesen. Zudem habe er frei über die Annahme von Aufträgen entscheiden können.

Das Arbeitsgericht München folgte in der ersten Instanz der Argumentation von Roamler und wies die Klage ab (Arbeitsgericht München, Urteil vom 20.02.2019 – 19 Ca 6915/18).

Die Entscheidung des LAG München

Das LAG München bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung des LAG München. Es hob hervor: auch bei Crowdworkern richtet sich die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens eines Arbeitsverhältnisses nach den allgemein gültigen Maßstäben des § 611a BGB.

Ein Arbeitsverhältnis liegt dann vor, wenn der Vertrag die Verpflichtung zur Leistung von weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit vorsieht. Diese Kriterien sah das LAG München vorliegend nicht als erfüllt an – weder durch die Basis-Vereinbarung noch durch die tatsächliche Durchführung der Einzelaufträge.

Das Gericht sah es nicht als entscheidungserheblich an, ob es sich darüber hinaus bei den einzelnen Auftragsverhältnissen jeweils um kurze befristete Arbeitsverhältnisse handelte. Der Kläger hätte insoweit jeweils eine Entfristungsklage erheben müssen.

Kein neuer Arbeitnehmerbegriff für moderne Arbeitsformen

Die Entscheidung fällt in die im Moment rege geführte Diskussion zum Arbeitnehmerbegriff im Zeitalter der Industrie 4.0 und zur Schutzwürdigkeit von Personen, die zunehmend in neuen Arbeitsformen wie Crowdworking tätig werden. Nicht zuletzt die Gewerkschaften – insbesondere die IG Metall – haben diese Diskussion befeuert.

Das LAG München stellt wie auch schon das LAG Hessen im Februar 2019 klar: Für moderne Arbeitsformen bedarf es keines neuen Arbeitnehmerbegriffs. Stattdessen gilt auch im Zeitalter der Industrie 4.0 der bekannte Arbeitnehmerbegriff des § 611a BGB. Dieser ist nach bekannten Maßstäben auszulegen.

Nach diesen Maßstäben sind die Crowdworker in den bisher entschiedenen Fällen jedenfalls nicht als Arbeitnehmer anzusehen. Denn aufgrund der häufig nur punktuellen Tätigkeit kann man nicht von einer Eingliederung in die betriebliche Organisation der Crowdwork-Plattform ausgehen. Die begrüßenswerte Entscheidung des LAG München folgt damit der Ansicht des LAG Hessen und der überwiegenden Meinung in der Literatur.

Anlass zu ausgelassener Freude besteht jedoch immer noch nicht: Die Kurzfristigkeit eines Einsatzes ist z.B. für die Sozialgerichte (und damit für sozialversicherungs-, ordnungs- und strafrechtliche Bewertung) nur von untergeordneter Bedeutung, wenn es um die Beurteilung einer selbständigen Tätigkeit geht (Stichwort: unständige Beschäftigung).

Nicht Gegenstand der Entscheidung des LAG war außerdem das Verhältnis des Crowdworkers zum Auftraggeber der Crowdwork-Plattform (Stichwort: unzulässige Arbeitnehmerüberlassung).

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das LAG München ließ die Revision zum Bundesarbeitsgericht zu.

 

Author

Christian Koops ist Partner bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern

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Michael Kalbfus ist Counsel bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern