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Immer wieder berichten Medien über die Angst vor einem Ausverkauf deutscher Spitzentechnologien. Sicherheitsrelevante und strategisch wichtige Unternehmen sollen nicht ungeprüft unter die Kontrolle ausländischer Unternehmen gelangen. Gleichzeitig möchte sich Deutschland seine Stellung als attraktiver Investitionsstandort erhalten. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Investitionskontrolle. Wir zeigen, wie diese funktioniert.

Wir unterscheiden bei der Prüfung ausländischer Investitionen zwischen „sektorenspezifischen“ und „sektorenübergreifenden“ Prüfungen.

Die sektorenspezifische Prüfung

Die sektorenspezifische Investitionskontrolle ist für Transaktionen in besonders sicherheitsrelevanten Wirtschaftsbereichen vorgesehen. Dazu gehören Zielunternehmen aus der Rüstungsindustrie und Hersteller von Produkten mit bestimmten IT-Sicherheitsfunktionen.

Das Bundeswirtschaftsministerium („BMWi“) kann jeden Erwerb von mindestens 10 Prozent der Stimmrechte eines deutschen Unternehmens dieser Sektoren durch einen Ausländer prüfen – auch wenn der Erwerber aus einem EU-Land stammt.

Nach § 60 Abs. 3 Außenwirtschaftsverordnung („AWV“) muss der Käufer dem BMWi den geplanten Erwerb schriftlich mitteilen und in seiner Meldung Erwerb, Erwerber und das zu erwerbende inländische Unternehmen angeben. Außerdem hat er die Geschäftsfelder des Erwerbers und des zu erwerbenden inländischen Unternehmens in Grundzügen darzustellen.

Bei laufenden Transaktionen sollten die Angaben in der Meldung möglichst erschöpfend sein, um Rückfragen des BMWi zu vermeiden. Diese können die Transaktion sonst verzögern.

Sind Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik beeinträchtigt?

Daraufhin prüft das BMWi, ob der geplante Erwerb die „wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik“ beeinträchtigt. Dabei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff aus dem Unionsrecht, bei dessen Ausfüllung die Mitgliedsstaaten einen weiten Beurteilungsspielraum haben.

Nach der Begründung der Verordnung liegt eine Gefährdung vor, wenn die sicherheitspolitischen Interessen oder die militärische Sicherheitsvorsorge Deutschlands beeinträchtigt würden. Stellt das BMWi eine Gefährdung fest, kann es den Erwerb untersagen oder Auflagen und Bedingungen an diesen knüpfen.

Das BMWi hat nach Eingang der Meldung durch den Erwerber drei Monate Zeit, um ein Prüfverfahren zu eröffnen und dies dem unmittelbarem Erwerber sowie dem Zielunternehmen mitzuteilen. Verstreicht die Frist, gilt die Freigabe als erteilt.

Um das Prüfverfahren durchzuführen, hat das BMWi weitere drei Monate Zeit – ab Eingang der vollständigen Unterlagen.

Die sektorenübergreifende Prüfung

Die sektorenübergreifende Prüfung beschränkt sich auf den Erwerb von Anteilen an einem deutschen Unternehmen durch Nicht-EU/EFTA Erwerber. Das BMWi prüft hier, ob das entsprechende Erwerbsgeschäft die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik gefährden würde.

Ein Katalog von Regelbeispielen nennt Tätigkeitsfelder, bei denen eine solche Gefährdung insbesondere vorliegen kann. Ist ein Zielunternehmen in einem dieser explizit genannten Felder tätig, kann die Prüfung bereits bei einem Erwerb von 10 Prozent der Stimmrechte erfolgen.

Zudem ist der Erwerber gegenüber dem BMWi meldepflichtig. Ausnahme: Das Zielunternehmen erfüllt eine nicht explizit genannte, aber vergleichbar wichtige Aufgabe für die deutsche Bevölkerung. Dann gilt die Aufgreifschwelle von 25 Prozent der Stimmrechte und die Meldepflicht entfällt.

Betreiber kritischer Infrastruktur

Explizit nennt die AWV Betreiber „kritischer Infrastruktur“, ein Begriff, den die Verordnung zur Bestimmung kritischer Infrastrukturen nach dem BSI-Gesetz („BSI-KritisV“) konkretisiert: Je nach Branche gelten bestimmte Schwellenwerte. Diese legen fest, wann einem Infrastrukturbetreiber eine solche Bedeutung für die Versorgung Deutschlands zukommt, dass er als „kritisch“ anzusehen ist.

Daneben werden in der AWV genannt: Hersteller von Software für den Betrieb solcher Infrastrukturen, Telekommunikationsunternehmen, die mit Überwachungsmaßnahmen betraut sind, Betreiber von Cloud-Computing- und Telematik-Diensten sowie seit Ende 2018 auch Unternehmen der Medienwirtschaft (vgl. § 55 Abs. 1 S. 2 Nr. 1-6 AWV).

Wann kann das BMWi den Erwerb untersagen?

Der Prüfungsmaßstab wird auch hier durch einen Begriff aus dem Unionsrecht bestimmt: dem der „öffentlichen Ordnung oder Sicherheit“ der Bundesrepublik. Dieser ist nicht zu verwechseln mit dem polizeirechtlichen Schutzgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, das wesentlich weiter zu verstehen ist.

Es muss eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Wirtschaftliche, arbeitsmarktpolitische und finanzielle Interessen reichen dagegen nicht aus. Das heißt konkret: Ein Erwerbsgeschäft kann nicht nur zum Schutz von Arbeitsplätzen untersagt werden.

Das BMWi kann den Erwerb mit der Zustimmung der Bundesregierung verbieten oder Auflagen und Bedingungen anordnen, wenn es von einer Gefährdung ausgeht.

Eröffnung eines Prüfverfahrens

Nachdem das BMWi Kenntnis von der Transaktion erlangt hat, bleiben ihm drei Monate Zeit. In diesem Zeitraum muss es über die Eröffnung des Verfahrens entscheiden und dem unmittelbaren Erwerber sowie dem Zielunternehmen, die mögliche Eröffnung des Prüfverfahrens mitteilen. Für die eigentliche Prüfung hat das BMWi weitere vier Monate, ab Eingang der vollständigen Unterlagen.

Um frühzeitig Rechtssicherheit zu erlangen, kann der Erwerber eine Unbedenklichkeitsbescheinigung beim BMWi beantragen. Diese gilt als erteilt, wenn das BMWi nicht innerhalb von zwei Monaten nach Antragstellung ein Prüfverfahren eröffnet hat.

Wichtig: Sollte das BMWi keine Kenntnis von einer Transaktion erlangt haben, kann es noch fünf Jahre nach der Transaktion ein Prüfverfahren eröffnen.

Zivilrechtliche Folgen von Investitionsprüfungen

Bei der sektorenspezifischen Prüfung bleibt der schuldrechtliche Vertrag bis zur Freigabe des Erwerbs durch das BMWi nach §15 Abs. 3 Außenwirtschaftsgesetz  („AWG“) schwebend unwirksam. Untersagt das BMWi den Erwerb, gilt der schuldrechtliche Vertrag als von Anfang an unwirksam.

Bereits durchgeführte Vollzugsgeschäfte, z.B. die Übertragung von Eigentum, sind dagegen weiterhin wirksam. Es gibt kein Vollzugsverbot, anders als etwa bei Fusionskontrollen.

Die schuldrechtlichen Vereinbarungen über die Erwerbsgeschäfte, die in den Anwendungsbereich von sektorenübergreifenden Prüfungen fallen, sind während der Prüfung des BMWi voll wirksam und können bereits vollzogen werden. Das besagen die FAQs des BMWi.

Das Erwerbsgeschäft steht dann nach § 15 Abs. 2 AWG unter der auflösenden Bedingung, dass das BMWi dieses untersagt.

Author

Anahita Thoms ist Partner bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern

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Yeelen Bihn ist Law Clerk bei Baker McKenzie.