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Seit Juni 2018 steht es fest: Die Bundeswehr wird erstmals waffenfähige Drohnen beschaffen. Diese Entscheidung war nicht nur politisch brisant. Sie wurde außerdem dem OLG Düsseldorf zur vergaberechtlichen Überprüfung vorgelegt.

Warum war die Rüstungsentscheidung vergabekonform? Und: Was ändert sich durch die im April 2018 veröffentlichte U.S.-Drohnen-Ausfuhr-Policy?

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf in Sachen Kampfdrohnen führte dazu, dass die Bundeswehr die bewaffnungsfähige Drohne Heron TP durch Verhandlungen direkt an das israelische Rüstungsunternehmen vergeben durfte.

Andere Unternehmen mussten am Vergabeverfahren nicht beteiligt werden. Infolge der neuen U.S.-Drohnen-Ausfuhr-Policy wird der Export von U.S.-Drohnen einfacher.

Anlass für die OLG-Entscheidung zu Drohnen

Seit 2010 nutzte die Bundeswehr wegen eines Leasingvertrags unbewaffnete Drohnen des Typs Heron 1. Diese wurden v.a. zur Aufklärung und Überwachung im ISAF-Einsatz in Afghanistan und Mali verwendet.

Nun sollten sog. Kampfdrohnen beschafft werden. Der Generalinspekteur der Bundeswehr entschied sich für die israelische Drohne Heron TP. Maßgebliche Gründe hierfür waren: Die Drohne sei schnell verfügbar und einsatzfähig. Das sei besonders wegen der angespannten Lage in Krisengebieten von Vorteil.

Auch ein US-amerikanischer Anbieter von Drohnen interessierte sich für diesen millionenschweren Auftrag. Er nahm die Auswahlentscheidung des Generalinspekteurs zum Anlass, das Vorgehen der Bundeswehr als vergaberechtswidrig zu rügen.

Der Grundsatz der Produktneutralität sei verletzt: Der öffentliche Auftraggeber müsse das zu beschaffende Produkt so offen beschreiben, dass nicht das Produkt nur eines Unternehmens diese Anforderungen erfülle. Außerdem sei ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nicht gerechtfertigt – etwa Verhandlungen nur mit dem israelischen Rüstungsunternehmen.

Die Vergabekammer wies diesen Vorwurf als unbegründet zurück. Der US-amerikanische Drohnenanbieter leitete daraufhin die sofortige Beschwerde beim OLG Düsseldorf ein.

OLG: Grundsatz der Produktneutralität ist nicht verletzt

Die produktspezifische Beschaffung der Drohne Heron TP ist nach Einschätzung des Vergabesenats des OLG ausnahmsweise gerechtfertigt. Die Bundeswehr habe ihr Leistungsbestimmungsrecht vergabekonform ausgeübt.

Das Leistungsbestimmungsrecht ist vom Vergaberecht weitestgehend rechtlich ungebunden. Der öffentliche Auftraggeber darf das beschaffen, was er möchte. Denn das Vergaberecht regelt nicht, was der öffentliche Auftraggeber beschafft, sondern nur, wie er es beschafft.

Das Leistungsbestimmungsrecht ist allerdings im Interesse der angestrebten Öffnung des Beschaffungswesens der öffentlichen Hand für den Wettbewerb begrenzt.

Die Folge: Eine produktspezifische Ausschreibung – also die Beschreibung eines konkreten Produkts – ist nur zulässig, wenn:

  • der Auftragsgegenstand die produktspezifische Ausschreibung sachlich rechtfertigt,
  • der Auftraggeber dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben und die Bestimmung ohne Willkür getroffen hat,
  • solche Gründe tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sind und
  • die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert.

Vergabesenat: israelisches Drohnensystem schneller verfügbar und einsatzfähig

Der Senat sah diese Voraussetzungen als erfüllt an. Nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe waren für ihn, dass das israelische Drohnensystem infolge der technischen Voraussetzungen schneller verfügbar und einsatzfähig sei.

Außerdem reduziere der Einsatz der Heron TP infolge der technischen Voraussetzungen die Risikopotenziale und würde zu einer geringeren Gefahr von Fehlfunktionen, weniger Kompatibilitätsproblemen und einem geringeren Umstellungsaufwand führen. Es müsse für den öffentlichen Auftraggeber in einem solchen Fall möglich sein, den Weg des geringsten Risikos zu wählen.

Vergabesenat: Drohne Heron TP sei souverän nutzbar

Einen weiteren sachlichen, auftragsbezogenen Grund sah der Vergabesenat darin, dass die Bundeswehr die Drohne Heron TP souverän nutzen könne – anders als bei der amerikanischen Drohne.

Vielmehr wäre die Bundeswehr in diesem Fall davon abhängig, dass die USA sie genehmigen würde, vor allem, wenn die Drohne in ein anderes, nicht genehmigtes Einsatzgebiet verlegt würde.

Damit verbliebe ein nicht zu unterschätzendes Risiko, ob die Genehmigung in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht tatsächlich erteilt würde.

Aus diesen Gründen erfülle nur die Heron TP die wegen der aktuellen sicherheitspolitischen Lage, der aktuellen Einsätze der Bundeswehr im Ausland und der politischen Vorgabe, dass die Bundeswehr mehr Verantwortung in militärischen Einsätzen übernehme, entstandene Fähigkeitslücke und ermögliche den Schutz der eigenen Soldaten und die der anderer Nationen.

Neue Drohnen-Ausfuhr-Policy des US-Außenministeriums

Wenn in Deutschland Waffensysteme aus dem Ausland beschafft werden, müssen öffentliche Auftraggeber zudem die Vorgaben ausländischer Rechtsordnungen berücksichtigen. Mit der am 19. April 2018 vom US-Außenministerium veröffentlichten neuen Drohnen-Ausfuhr-Policy nach U.S. Policy On The Export Of Unmanned Aerial Systems (“Policy“) wird die Ausfuhrpolitik in diesem Bereich grundlegend reformiert.

Die Folge: Exporte von U.S.-Drohnen werden vereinfacht – U.S.-Drohnen können danach auch über sog. Direct Commercial Sales (DCS) erworben werden. Damit wird der bisher als Regelfall praktizierte Vertriebsweg des Foreign Military Sales (FMS) aufgegeben, den ohnehin viele als unpraktisch empfanden.

Vorteile des Direct Commercial Sales (DSC)-Verfahren

Anders als beim FMS-Verfahren müssen beim DCS-Verfahren nicht alle Einzelheiten zur Waffenausfuhr und -verwendung gemeinsam mit der U.S.-Regierung in einem Letter of Offer and Acceptance definiert werden. Auch spätere Einsatzmodalitäten sind nicht schon vorab festzulegen.

Beim DCS-Verfahren ist es auch nicht nötig, dass die U.S.-Regierung und ggf. der U.S.-Kongress, jede spätere Änderung abgestimmter Verwendungsbedingungen genehmigt.

Und auch ein deutscher öffentlicher Auftraggeber kann beim DSC-Verfahren – im Rahmen des vergaberechtlich Zulässigen – direkt mit einem U.S.-Unternehmen über Einzelheiten des avisierten Geschäfts, z.B. Integration bestimmter Waffensysteme, frei verhandeln und verbindliche Zusagen treffen.

Allerdings muss das U.S.-Unternehmen eine Ausfuhrgenehmigung des US-Außenministeriums einholen, bevor das Militärprodukt ausgeliefert wird. Das gilt für Güter, die die U.S. Munitions List und der International Traffic in Arms Regulations (ITAR) erfassen.

Die Bestandteile einer Drohne und die dazu gehörende Bewaffnung dürften wohl von der jeweiligen Liste erfasst sein.

Ausfuhr und Verwendung von bewaffneten U.S.-Drohnen

Unabhängig vom Vertriebsweg sind nach der neuen Policy folgende Bedingungen für die Ausfuhr und Verwendung bewaffneter U.S.-Drohnen einzuhalten:

  • Man darf die Drohne nur mit einem U.S. oder einem von den U.S.A. autorisierten Waffen-System verwenden.
  • Der Käufer – auch ein deutscher öffentlicher Auftraggeber – muss eine Endverbleibserklärung abgeben, mit folgenden Verpflichtungen:
  • Der Käufer verwendet die Drohne im Einklang mit dem geltenden Völkerrecht und den anwendbaren U.S.-Bestimmungen (z.B. Arms Export Control Act (AECA), ITAR);
  • er überlässt die Drohne nicht Drittländern und unterlässt eine damit verbundene Ausbildung;
  • er verwendet die Drohne nicht zweckentfremdet ohne vorherige Genehmigung der U.S.-Regierung;
  • er erhält die Sicherheit der militärischen Drohne auf dem U.S.-Niveau aufrecht.

Waffenfähige Drohnen auch in Deutschland zunehmend bedeutend

Aus globaler Sicht wird der Markt für Militärgüter vereinfacht. Die Ausfuhr von U.S.-Militärgütern wurde liberalisiert. Die Entscheidung des OLG Düsseldorf stärkt das Leistungsbestimmungsrecht der Bundeswehr und dürfte die Militärbeschaffung im Einzelfall – trotz der im Nachgang zu dieser Entscheidung in Kraft getretenen U.S.-Policy – spürbar erleichtern.

Ob die Drohne Heron TP jedoch tatsächlich mit Waffen ausgestattet werden wird, bleibt spannend. Die politische Entscheidung hierzu soll erst „nach ausführlicher völkerrechtlicher und ethischer Würdigung“ fallen.

Eines zeichnet sich jedoch ab: Waffenfähige Drohnen werden zunehmend auch in Deutschland an Bedeutung gewinnen, zumal ab 2025 eine von Deutschland, Spanien, Italien und Frankreich entwickelte „europäische Drohne“ zum Einsatz kommen soll.

Beitragsbild: Airbus

Herkenhoff
Author

Anna-Sophia Herkenhoff ist Associate bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern

Levin
Author

Ilya Levin ist Associate bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern