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Die Betriebsratswahl ist komplex – oft kommt es daher im Vorfeld oder während der Betriebsratswahlen zu Fehlern. Das macht die Wahl anfechtbar oder sogar nichtig. Soweit muss es jedoch nicht kommen: Wir zeigen, welche Punkte man bei der Vorbereitung der Wahl und im Wahlverfahren beachten muss und wie man mit Fehlern umgeht.

Sind bei der Betriebsratswahl wesentliche Fehler unterlaufen, ist die Wahl – innerhalb von zwei Wochen nachdem die Wahlergebnisse bekannt gemacht wurden – anfechtbar. Die Anfechtung kann sich – je nach Art des Fehlers – darauf beziehen, dass entweder die gesamte Wahl oder aber die Wahl einzelner Betriebsratsmitglieder unwirksam ist. Denkbar ist auch, dass ein Gericht das Wahlergebnis anpasst, (z.B. bei Fehlern der Sitzverteilung).

Neben dem Arbeitgeber können mindestens drei Wahlberechtigte und eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft die Wahl anfechten. Ist die Anfechtung erfolgreich, gibt es den fehlerhaft gewählten Betriebsrat nicht mehr. Das Mandat des Betriebsrats endet, wenn die gerichtliche Entscheidung rechtskräftig wird.

Wenn nur die Wahl einzelner Betriebsratsmitglieder angefochten wird, treten die Ersatzmitglieder an deren Stelle. Wird die Wahl dagegen nicht rechtzeitig angefochten, ist der Betriebsrat wirksam gewählt.

Wann ist eine Wahl anfechtbar, wann nichtig?

Eine Wahl ist anfechtbar, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen und dies nicht korrigiert wurde. „Wesentlich“ sind Vorschriften, die tragende Grundprinzipien der Betriebsratswahl enthalten. Nicht anfechtbar sind dagegen Verstöße gegen bloße Soll- oder Ordnungsvorschriften.

Von der Anfechtbarkeit zu unterscheiden ist die Nichtigkeit der Wahl. Nichtig ist eine Wahl, wenn man in einem so hohem Maße gegen die Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen hat, dass es nicht einmal den Anschein einer gesetzmäßigen Wahl gibt.

Wer ist wahlberechtigt?

Bei der Wahlberechtigung geht es v.a.um diese Frage: Ist eine Person als Arbeitnehmer anzusehen und gehört sie dem Betrieb an? Eine besondere Rolle spielen Leiharbeitnehmer. Sie dürfen bereits im Betrieb mitwählen, wenn sie dort länger als drei Monate eingesetzt sind.

Mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz wurde auch das Wahlalter herabgesetzt. Das Mindestalter, das aktive Wahlrecht auszuüben, beträgt nun nicht mehr 18, sondern 16 Jahre.

Nicht wahlberechtigt sind leitende Angestellte, arbeitnehmerähnliche Personen und freie Mitarbeiter, z.B. Freelancer und Berater. Für leitende Angestellte sieht das Gesetz ein gesondertes Verfahren vor. Einigen sich Arbeitgeber und Wahlvorstand nicht darauf, welche Beschäftigten als leitende Angestellte anzusehen sind, entscheidet ein Vermittler.

Fehler bei der Frage der Betriebszugehörigkeit resultieren oft daraus, dass man den betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff verkennt. Ein Risiko besteht z.B. bei Satellitenstandorten oder Gemeinschaftsbetrieben. Den maßgeblichen “Betrieb” festzulegen, ist für Wahlvorstände oft eine besondere Herausforderung. Denn bei Beschäftigten mit mehreren Einsatzorten oder solchen mit außerbetrieblichen Arbeitsstätten, z.B. Homeoffice, ist nicht immer klar, welchem Betrieb sie zuzuordnen sind.

Wer ist wählbar?

Hier geht es um dieselben Fragen wie bei der Wahlberechtigung. Um wählbar zu sein, muss ein Arbeitnehmer allerdings das 18. Lebensjahr vollendet haben. Ferner muss ein Arbeitnehmer mind. sechs Monate in dem Betrieb tätig gewesen sein. Dadurch erlangt er das passive Wahlrecht. Außerdem darf er nicht nach einer strafgerichtlichen Verurteilung seine Fähigkeit verloren haben, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen.

Leiharbeitnehmer sind im Betrieb des entleihenden Unternehmens nicht wählbar – unabhängig von ihrer Einsatzdauer.

Mögliche Verfahrensverstöße im Wahlverfahren

Die größten Stolpersteine liegen im Wahlverfahren. Hier geschehen am häufigsten Fehler. Das Gesetz enthält eine Reihe von Vorgaben (§§ 9 bis 18 BetrVG und die Vorschriften der Wahlordnung).

Folgende Verfahrensverstöße können z.B. dazu führen, dass die Wahl anfechtbar ist:

  • Man hat das falsche Wahlverfahren angewandt, z.B. das normale Wahlverfahren, obwohl ein Kleinbetrieb vorliegt, oder das vereinfachte Verfahren trotz mehr als 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern im Betrieb (auch in Betrieben mit 101 bis 200 Arbeitnehmern kann das vereinfachte Wahlverfahren vereinbart werden)
  • man hat die Arbeitnehmer nicht nach Geschlechtern auf der Wählerliste aufgeteilt,
  • die Angaben zu Zeit und Ort der Wahl waren im Wahlausschreiben fehlerhaft,
  • Fristen und Termine wurden im Wahlausschreiben nicht korrekt genannt,
  • eine unrichtige Zahl von Betriebsratsmitgliedern wurde gewählt, z.B. weil man Leiharbeitnehmer nicht berücksichtigt hat,
  • Wahlberechtigte, die ihre Stimme noch nicht abgegeben haben, hat man selektiv zur Wahl aufgefordert,
  • der Wahlvorstand legte den Briefwahlunterlagen eine Broschüre bei, in der eine bestimmte Kandidatenliste als vorzugswürdig dargestellt wurde,
  • der Wahlvorstand ließ eine Liste mit Wahlvorschlägen zu Unrecht nicht zur Wahl zu.

Einschränkung der Anfechtbarkeit zugunsten der Rechtssicherheit

Stützt man die Anfechtung darauf, dass die Wählerliste unrichtig ist, gibt es seit dem 18. Juni 2021 für wahlberechtigte Arbeitnehmer zusätzlich eine Voraussetzung: Man muss zuvor aus demselben Grund ordnungsgemäß Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste eingelegt haben. Für den Arbeitgeber ist die Anfechtung nun ausgeschlossen, wenn die Unrichtigkeit der Wählerliste auf seinen Angaben beruht.

Die Einschränkung der Anfechtbarkeit wegen Fehlern in der Wählerliste soll zu mehr Rechtssicherheit bei Betriebsratswahlen führen.

Fehler bei Betriebsratswahl schon im laufenden Wahlverfahren geltend machen

Sind wesentliche Fehler schon vor Abschluss der Betriebsratswahl erkennbar, kann man sie unter bestimmten Voraussetzungen vorzeitig geltend machen. Das gilt z.B. dann, wenn Fehler i.Z.m. aus einem nicht ordnungsgemäßen Wahlausschreiben resultierten. Auch gilt dies dann, wenn man Wahlvorschläge unzutreffend zugelassen oder zurückgewiesen hat.

Man muss nicht den Ausgang der Wahl abwarten und erst dann gerichtliche Hilfe beanspruchen . Eine Betriebswahl erfordert viel Kosten und Zeit. Daher kann es sinnvoll sein, Streitfragen schon während des Wahlverfahrens gerichtlich klären zu lassen.

Die Betriebsratswahl geschieht unter hohem Zeitdruck. Oft macht es daher Sinn, einstweilige Verfügungen zu erwirken und damit bei Fehlern früh korrigierend einzugreifen. Arbeitgeber können u.U. sogar gerichtlich erwirken, die Wahl abzubrechen.

Die Anforderungen hierfür sind jedoch hoch. Es reicht nicht aus, dass die Wahl nur anfechtbar ist. Vielmehr müssen die Mängel im Wahlverfahren derart gewichtig sein, dass die Wahl voraussichtlich nichtig ist.

Keine Frist, um Nichtigkeit einer Betriebsratswahl geltend zu machen

Die Nichtigkeit einer Wahl kann man im Gegensatz zur Anfechtung jederzeit geltend machen. Hier gilt nicht die Zweiwochenfrist, die bei der Anfechtung der Wahl einzuhalten ist.

Eine nichtige Wahl kann jedoch nur bei gravierenden Wahlverstößen angenommen werden. Die Betriebsratswahl muss „den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen“ (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 21.07.2017 – 10 TaBV 3/17). Es muss nicht nur ein besonders grober, sondern auch ein offensichtlicher Verstoß gegen Wahlvorschriften vorliegen.

Dies ist z.B. der Fall, wenn eine Betriebsratswahl stattfindet, obwohl es im jeweiligen Betrieb schon einen Betriebsrat gibt. Nicht nichtig, aber dennoch anfechtbar ist eine Betriebsratswahl dagegen, wenn sie online durchgeführt wird. Den Schritt hin zu digitalen Betriebsratswahlen hat der Gesetzgeber auch mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz nicht gewagt.

Bestimmungen befolgen und bei Fehlern früh eingreifen

Wird eine Wahl angefochten, hat dies schwerwiegende Folgen. Die betrieblichen Akteure sollten also die Bestimmungen zur Wahlberechtigung, zur Wählbarkeit und besonders zum Wahlverfahren exakt befolgen.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten früh auf den Wahlvorstand zugehen, wenn sie Fehler erkennen und ihn um Korrektur bitten. Außerdem sollten Arbeitnehmer Einspruch einlegen, wenn sie die Wählerliste für unrichtig halten. Dadurch können sie sich offenhalten, die Wahl später anzufechten. So können sie den Aufwand, der mit einer Wahlanfechtung und mit Neuwahlen einhergeht, erheblich reduzieren und am besten sogar ganz vermeiden.

Author

Benjamin Durst ist Associate bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern